"Die Kräfte lassen nach": Kein voller Verdienstausfallschaden für 75-jährigen Zahnarzt

Ein freiberuflich tätiger Zahnarzt erlitt mit 68 Jahren einen Unfall an den Handgelenken. Auch für einen Zeitraum Jahre später, mit 75 Jahren, verlangte er den vollen Verdienstausfallschaden. Das OLG lehnt ab: Eher unwahrscheinlich, dass er in diesem Alter noch voll erwerbstätig gewesen wäre.

Ein heute 79-jähriger selbständiger Zahnarzt wurde im Oktober 2014 bei einem Verkehrsunfall in Frankreich an beiden Handgelenken verletzt. Zum Zeitpunkt des Unfalls bezog er zwar schon Rente, seine Praxis war aber weiterhin geöffnet. Weil er sich in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt sah, verklagte er den Unfallverursacher, die Halterin des Wagens sowie deren Haftpflichtversicherer, deren Haftung aufgrund anderen Urteils bereits feststand. Neben einer behaupteten Praxiswertminderung verlangte er in dem Verfahren vor dem OLG Saarbrücken noch den Ersatz von Verdienstausfall von 2016 bis 2021, also bis zu seinem 75. Lebensjahr.

Das LG sprach ihm rund 172.000 Euro zu, weit überwiegend für den Erwerbsschaden. Einen verminderten Praxiswert könne er mangels Darlegung eines konkreten Schadens hingegen nicht verlangen. Der Mediziner gab aber nicht auf und machte mit seiner Berufung unter anderem weiteren Verdienstausfall für die Zeit vom 1. Januar 2021 bis 31. Mai 2021 beim OLG geltend – ohne Erfolg.

Dafür sah das OLG Saarbrücken keine Grundlage. Es könne nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der im Jahr 2021 fast 75-Jährige ohne den Unfall noch voll erwerbstätig gewesen wäre, so der Senat (Urteil vom 17.01.2025 – 3 U 6/24). Zwar lässt das OLG ausdrücklich offen, ob auch bei Selbständigen und Freiberuflern für die Berechnung des Verdienstausfallschadens an den Eintritt ins Rentenalter anzuknüpfen ist. Dem Zahnmediziner kam zugute, dass er schon zum Zeitpunkt des Unfalls 68 Jahre alt war und auch damals noch gearbeitet hatte.

Dennoch könne man allein aus dem Umstand, dass er die Praxis auch Jahre später noch nicht eingestellt hatte, nicht schließen, dass er auch noch mit 75 Jahren ohne Einschränkungen weitergearbeitet hätte. Die Kräfte ließen nach, so das OLG, und vieles spreche im Rahmen einer Prognose dafür, dass er die Praxis nur noch als Teilerwerbstätigkeit fortgeführt und hierbei deutlich geringere Jahresumsätze erzielt hätte. Schließlich beziehe er bereits seit dem 65. Lebensjahr Rente und für die Beibehaltung seines Lebensstandards hätte es keine Vollbeschäftigung gebraucht.

Schadensersatz für eine Praxiswertminderung lehnte auch das OLG ab. Dieser könnte nur verlangt werden, wenn diese sich konkret bei Aufgabe oder Veräußerung der Praxis auswirkt. Das war hier aber nicht der Fall: So habe der Arzt den Praxisbetrieb weder unfallbedingt aufgeben müssen, noch habe er die Praxis bislang verkauft. Damit habe sich ein etwaiger (behaupteter) unfallbedingter Minderwert ohne die Veräußerung der Praxis noch nicht konkret und sichtbar ausgewirkt. Bis zur tatsächlichen Veräußerung bleibe dieser fiktiv. Einen solchen fiktiven Schaden könne der Geschädigte jedoch nicht verlangen.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.01.2025 - 3 U 6/24

Redaktion beck-aktuell, ns und pl, 3. Februar 2025.

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