Wenn der Zeuge log: Re­sti­tu­ti­ons­kla­ge auch bei Ein­stel­lung des Straf­ver­fah­rens?

Rechts­kräf­ti­ge Zi­vil­ur­tei­le kön­nen an­ge­grif­fen wer­den, wenn sie auf einer Falsch­aus­sa­ge be­ru­hen – falls der Täter dafür ver­ur­teilt wird. Wie ist es aber, wenn das Straf­ver­fah­ren aus Op­por­tu­ni­täts­grün­den ein­ge­stellt wurde? Geht ein Ge­richt nicht von einem wahr­schein­li­chen Ver­schul­den des An­ge­klag­ten aus, blei­be das an­geb­li­che Fehl­ver­hal­ten bloße Be­haup­tung und könne keine Re­sti­tu­ti­ons­kla­ge recht­fer­ti­gen, so das Ober­lan­des­ge­richt Ros­tock. An­ders sei es, wenn der Straf­rich­ter er­kenn­bar von der Schuld über­zeugt war.

Ein Streit um ein ge­schei­ter­tes Pro­jekt zur In­stal­la­ti­on von So­lar­mo­du­len hätte nach drei In­stan­zen im Sep­tem­ber 2021 mit einer Ent­schei­dung des BGH ei­gent­lich sein Ende fin­den sol­len. Die Ei­gen­tü­mer, deren Dach­flä­chen für eine Fo­to­vol­ta­ik­an­la­ge hät­ten ge­nutzt wer­den sol­len, hat­ten ver­lo­ren. Die So­lar­fir­ma soll­te ihre Vor­schüs­se zu­rück­be­kom­men und zu­sätz­lich Scha­dens­er­satz wegen der ge­kün­dig­ten Ver­trä­ge er­hal­ten.

Par­al­lel zum Zi­vil­ver­fah­ren hat­ten die Ei­gen­tü­mer einen Zeu­gen, K., an­ge­zeigt: Er soll­te, so die Ei­gen­tü­mer, bei sei­ner Ver­neh­mung vor einer Zi­vil­kam­mer des LG Ros­tock  falsch aus­ge­sagt haben. Die Straf­rich­te­rin neig­te dazu, K. zu ver­ur­tei­len, stell­te das Ver­fah­ren dann aber nach § 153 StPO wegen ge­rin­ger Schwe­re der Schuld ein. In ihrem Be­schluss stell­te sie fest, dass sie K. für hin­rei­chend ver­däch­tig halte, aber seine Schuld als ge­ring an­se­he. Dar­auf stütz­ten die un­ter­le­ge­nen Ei­gen­tü­mer eine Re­sti­tu­ti­ons­kla­ge. Die hatte zwar im Er­geb­nis beim zu­stän­di­gen OLG Ros­tock am Ende kei­nen Er­folg, die Hürde der Zu­läs­sig­keit aber über­wan­den die Ei­gen­tü­mer.

"…ist hin­rei­chend ver­däch­tig"

Eine Re­sti­tu­ti­ons­kla­ge gegen ein rechts­kräf­ti­ges zi­vil­recht­li­ches Ur­teil, weil die­ses auf Basis einer Falsch­aus­sa­ge zu­stan­de ge­kom­men sei (§ 580 Abs. 1 ZPO) ist nach § 581 Abs. 1 ZPO nur dann zu­läs­sig, wenn ein rechts­kräf­ti­ges Straf­ur­teil vor­liegt oder "die Ein­lei­tung oder Durch­füh­rung eines Straf­ver­fah­rens aus an­de­ren Grün­den als wegen Man­gels an Be­weis" nicht mög­lich ist. Bei der Ein­füh­rung der ZPO gab es al­ler­dings noch gar keine Ein­stel­lung aus Op­por­tu­ni­täts­grün­den wegen ge­rin­ger Schwe­re der Schuld für ent­spre­chen­de De­lik­te, da­mals ging es dem Ge­setz­ge­ber um ein Ende des Ver­fah­rens wegen Tod oder Ver­jäh­rung. Des­halb ist seit lan­gem um­strit­ten, ob auch eine Ein­stel­lung des Straf­ver­fah­rens aus­rei­chen soll, um eine Re­sti­tu­ti­ons­kla­ge mög­lich zu ma­chen. 

Das OLG hatte ur­sprüng­lich schon auf der Zu­läs­sig­keits­ebe­ne Be­den­ken. Zwar werde ver­tre­ten, dass es für den (mög­li­chen) Ge­schä­dig­ten, der eine Re­sti­tu­ti­ons­kla­ge an­strebt, kei­nen Nach­teil dar­stel­len dürfe, dass die Straf­jus­tiz das Ver­fah­ren durch Ein­stel­lung er­le­digt habe. Das OLG ver­weist aber dar­auf, dass man nicht jede Ein­stel­lung mit einem rechts­kräf­ti­gen Straf­ur­teil gleich­set­zen könne. Gehe das Ge­richt nicht von einem wahr­schein­li­chen Ver­schul­den des An­ge­klag­ten aus, blei­be das an­geb­li­che Fehl­ver­hal­ten bloße Be­haup­tung und könne keine Re­sti­tu­ti­ons­kla­ge recht­fer­ti­gen.

Die Amts­rich­te­rin, die das Ver­fah­ren ein­ge­stellt hatte, hatte in ihrem Be­schluss je­doch aus­drück­lich fest­ge­stellt, dass sie K. für hin­rei­chend ver­däch­tig halte. Das reicht dem OLG nach wei­te­rer Prü­fung aus, um die Re­sti­tu­ti­ons­kla­ge für zu­läs­sig zu hal­ten. Be­grün­det sei diese den­noch nicht: K.s Aus­füh­run­gen seien nicht der Grund für die frü­he­ren Ent­schei­dun­gen ge­we­sen. 

OLG Rostock, Urteil vom 30.03.2023 - 3 U 99/21

Redaktion beck-aktuell, 20. Juli 2023.