Ein mit der Errichtung einer privat genutzten Doppelhaushälfte beauftragter Bauunternehmer aus Ostfriesland stritt mit einer Bauherrin aus Westerstede um Restwerklohn in Höhe von rund 80.000 Euro. Die Bauherrin hielt den Zahlungsansprüchen des Bauunternehmers entgegen, dass die Bauarbeiten mangelhaft gewesen seien. Vor dem LG war dessen Klage erfolglos, weil er rechtliche Besonderheiten bei der Pauschalpreisabrechnung nicht eingehalten habe. Vor dem OLG nahm das Verfahren nun eine überraschende Wendung.
Denn der auf das Baurecht spezialisierte 2. Zivilsenat des OLG musste beide Parteien auf eine folgenschwere Gesetzesänderung aufmerksam machen, die zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist. Seit diesem Tag bedürfen neu abgeschlossene Bauverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher nämlich nach § 650i Abs. 2 BGB der Textform. Eine nur mündliche Absprache ist nicht mehr ausreichend.
Die Parteien hätten ihren Bauvertrag im zweiten Halbjahr 2018 abgeschlossen, die neue Gesetzeslage jedoch nicht bedacht, so das OLG. Zwar habe der Bauunternehmer der Bauherrin zuvor schriftliche Angebotsunterlagen zukommen lassen, diese seien von ihr aber nur mündlichen angenommen worden. Mit fatalen Folgen: Der Bauvertrag sei wegen des Formverstoßes von vornherein nichtig gewesen. Damit habe für die Berechnung des Werklohns eine vertragliche Grundlage gefehlt. Aber nicht nur das: Auch die Gewährleistungsansprüche der Bauherrin hätten einen wirksamen Vertrag vorausgesetzt.
So stellte sich die Frage, mit welchen Werten Bauleistungen abzurechnen und etwaige Baumängel einzupreisen sind, wenn der zugrundeliegende Vertrag und die verabredeten Abrechnungsmodalitäten nichtig sind. Das OLG hatte dazu die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des objektiven Marktwertes der Bauarbeiten einerseits sowie der anteiligen Höhe der behaupteten Baumängel andererseits in Erwägung gezogen. Eine abschließende Entscheidung mussten die Richterinnen und Richter aber nicht treffen, da sich die Parteien nach diesen Hinweisen einigen konnten ("Entscheidung" vom 01.02.2023 - 2 U 20/23).