Schmerzensgeld für Radfahrerin nach berührungslosem Unfall mit Rettungswagen

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat einer Radfahrerin Schmerzensgeld zugesprochen, die angesichts beengter Straßenverhältnisse wegen eines überholenden Rettungswagens vom Fahrrad abgestiegen und dabei ohne Kollision mit dem Rettungswagen gestürzt war. Der Senat bejahte eine Haftung aus Betriebsgefahr in Höhe von 20%, da der Rettungswagen das Absteigen veranlasst habe.

Radfahrerin stieg wegen überholenden Rettungswagens ab und stürzte dabei

Der Fahrer eines Rettungswagens wollte bei einem Einsatz mehrere Radfahrer, darunter die Klägerin, überholen. Das Martinshorn war eingeschaltet. Es gab insgesamt nur wenig Platz. Die 72-jährige Klägerin wollte daher absteigen und kam dabei zu Fall. Zu einer Kollision war es aber nicht gekommen. Die Frau brach sich den Fußknöchel und musste zwei Wochen einen Gipsverband tragen sowie im Anschluss noch zwei Monate einen speziellen Strumpf. Das Landgericht Aurich lehnte eine Haftung des Rettungsdienstes ab. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein.

OLG: Haftung aus Betriebsgefahr - Rettungswagen veranlasste Absteigen  

Die Berufung hatte Erfolg. Der Senat entschied, dass sich bei dem Vorfall die Betriebsgefahr des Rettungswagens verwirklicht habe, auch wenn es nicht zu einer Kollision gekommen sei. Denn der Rettungswagen habe dennoch zu dem Unfall beigetragen, indem er das Ausweichmanöver und das Absteigen der Klägerin veranlasst habe. Ein Schaden sei bereits dann "beim Betrieb" eines Kfz entstanden, wenn sich die von dem Kfz ausgehende Gefahr überhaupt ausgewirkt habe. Das sei hier der Fall. Die Klägerin habe die Verkehrslage zu Recht als gefährlich empfunden und sei deswegen abgestiegen. Der Senat bewertete die Betriebsgefahr mit einer Haftungsquote von 20% und sprach der Klägerin unter anderem ein Schmerzensgeld von 2.400 Euro zu. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

OLG Oldenburg, Urteil vom 17.05.2022 - 2 U 20/22

Redaktion beck-aktuell, 27. September 2022.