Misstrauischer Versicherer: Erst observieren, dann offenlegen

Ein Haftpflichtversicherer hatte die Angaben eines Geschädigten zum Ausmaß von Unfallfolgen bezweifelt und ihn deshalb von einer Detektei observieren lassen. Den Ermittlungsbericht der Detektei muss der Versicherer laut OLG Oldenburg nun gegenüber dem Geschädigten nach § 15 DS-GVO offenlegen.

Ein nach einem Verkehrsunfall in Anspruch genommener Haftpflichtversicherer hegte den Verdacht, dass der Geschädigte stärkere gesundheitliche Einschränkungen vorgab als er tatsächlich davongetragen hatte. Der Versicherer beauftragte deshalb eine Detektei, die das Unfallopfer über mehrere Wochen observierte und in einem Bericht niederlegte, was sie über dessen gesundheitliche Einschränkungen im Alltag ermittelt hatte. Der Geschädigte wollte wissen, was in dem Bericht stand, und verlangte deshalb vom Versicherer Auskunft sowie eine Kopie des Berichts.

Der Versicherer gab nur teilweise Auskunft, im Übrigen berief er sich auf ein datenschutzrechtliches Geheimhaltungsinteresse. Er argumentierte, die medizinischen Befunde begründeten Zweifel an der Tragweite der behaupteten Unfallfolgen. Der Geschädigte könne seinen Vortrag in einem späteren Prozess anhand der Informationen aus dem Bericht anpassen. Um eine effektive Verteidigung zu gewährleisten, müssten die Informationen jetzt aber zurückgehalten werden. 

Versicherer muss Bericht nach Art. 15 DS-GVO herausrücken

Das LG teilte noch die Ansicht des Versicherers und bejahte ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse. Das OLG Oldenburg sah das aber anders: Der Versicherer muss dem Geschädigten nun die gewünschte Auskunft geben sowie eine Kopie des Observationsberichts (Urteil vom 09.04.2024 - 13 U 48/23). Laut OLG hat dieser einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO, da von ihm personenbezogene Daten gesammelt und verarbeitet worden seien. Betroffene hätten in solchen Fällen ein generell schutzwürdiges Interesse an der Auskunft. Denn das Auskunftsrecht bezwecke gerade, sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Zwar könne der Anspruch durch Rechte Dritter eingeschränkt sein. Ein solches Gegenrecht habe der Versicherer aber nicht darlegen können. Bei den personenbezogenen Daten handele es sich nicht um Geschäftsgeheimnisse. Auch sonst gebe es kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse. Denn der Versicherer müsse den Ermittlungsbericht bei späteren Rechtsstreitigkeiten ohnehin offenlegen und dem Geschädigten ermöglichen, darauf zu reagieren. Es sei auch nicht sicher, dass dieser die Informationen später in einem Prozess gegen den Versicherer nutzt. Genauso sei denkbar, dass er nach der Offenlegung des Berichts – je nach Inhalt – davon Abstand nimmt, den Versicherer in Anspruch zu nehmen.

OLG Oldenburg, Urteil vom 09.04.2024 - 13 U 48/23

Redaktion beck-aktuell, hs, 18. Juli 2024.