OLG Oldenburg: 500.000 Euro Schmerzensgeld für Geburtsschaden nach Verwechslung des Herzschlages

Ein mittlerweile achtjähriges Mädchen, das als Folge einer Sauerstoffunterversorgung vor der Geburt einen schweren Hirnschaden erlitten hat und schwerstbehindert ist, hat vor dem Oberlandesgericht Oldenburg ein Schmerzensgeld von 500.000 Euro erstritten. Hintergrund war, dass die behandelnden Ärzte bei der Geburt der Klägerin im CTG den Herzschlag ihrer Mutter für den der Klägerin gehalten hatten und deswegen trotz stark abgefallener Herzfrequenz der Klägerin untätig geblieben waren. Das OLG stellte fest, dass die beklagte Klinik sowie die beklagte Ärztin zudem verpflichtet sind, dem Mädchen sämtlichen Vermögensschaden zu ersetzen, der ihr aus den Kunstfehlern anlässlich ihrer Geburt entstanden ist oder zukünftig entstehen wird (Urteil vom 13.11.2019, Az.: 5 U 108/18).

Sauerstoffunterversorgung blieb zu lange unbemerkt

Zu der Schädigung war es gekommen, weil circa 45 Minuten vor der Entbindung die Herzfrequenz des Kindes sehr stark abgefallen war (sogenannte Bradykardie). In diesem Zeitraum zeichnete indessen das CTG (sogenannter Wehenschreiber) für circa zehn Minuten keinen Herzschlag auf, weder den des Kindes noch den der Mutter. Als nach zehn Minuten im CTG ein Herzschlag mit normgerechter Frequenz wieder erfasst werden konnte, hielten die Ärzte dies für den Herzschlag des Kindes in der Annahme, es habe sich wieder erholt. Tatsächlich handelte es sich allerdings um den Herzschlag der Mutter. Als man den Irrtum später bemerkte, war die Klägerin durch die Sauerstoffunterversorgung bereits erheblich geschädigt.

Ärzte hätten bei Verdacht auf kindlichen Herzfrequenzabfall anders reagieren müssen

Dieses Vorgehen stelle einen groben Behandlungsfehler dar, so das OLG unter Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen. Die behandelnden Ärzte hätten sich angesichts des Verdachts auf einen kindlichen Herzfrequenzabfall auf andere Weise davon überzeugen müssen, dass es dem Kind gut geht, zum Beispiel durch eine sogenannte Kopfschwartenelektrode. Keinesfalls hätte man sich angesichts der bedrohlichen Situation über einen Zeitraum von zehn Minuten mit einem nicht aussagekräftigen CTG zufrieden geben dürfen.

Weitere Vorwürfe gegen Klinik irrelevant

Weil die Beklagten bereits aus diesem Grund der Klägerin hafteten, musste sich das OLG mit den weiteren Vorwürfen gegen die Klinik, dass nämlich die Reanimation nach der Geburt nicht sofort begonnen wurde, dass kein Beatmungsbeutel nach der Geburt zur Verfügung gestanden hatte, dass die Maskenbeatmung nach der Geburt versehentlich ohne Druck erfolgt und dass der verständigte Notarzt zehn Minuten zu spät erschienen war, nicht weiter auseinandersetzen.

Urteil der Vorinstanz im Wesentlichen bestätigt

Das OLG hat mit seinem Urteil ein im Wesentlichen gleichlautendes Urteil des Landgerichts Osnabrück bestätigt. Das zuerkannte Schmerzensgeld sei in jedem Fall angemessen. Weil nur die Beklagten Berufung eingelegt hätten, habe sich das OLG mit der Frage eines höheren Schmerzensgeldes nicht befassen müssen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

OLG Oldenburg, Urteil vom 13.11.2019 - 5 U 108/18

Redaktion beck-aktuell, 18. November 2019.

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