130.000 Euro Schmerzensgeld wegen Erblindung nach Frühgeburt

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat einem frühgeborenen Kind, das durch Ablösung der Netzhaut auf dem einen Auge erblindet und auf dem anderen Auge hochgradig sehbehindert ist, ein Schmerzensgeld von 130.000 Euro zugesprochen. Trotz des besonderen Risikos für eine Netzhautablösung bei Frühgeborenen sei ein deutlich zu später weiterer Kontrolltermin empfohlen worden. Das OLG hat die Revision zugelassen.

Frühgeborenes durch Netzhautablösung erblindet

Das klagende Kind war in der 25. Schwangerschaftswoche geboren worden. Es bestand – wie bei allen Frühgeborenen – ein besonderes Risiko für eine Netzhautablösung. Bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus drei Monate nach der Geburt wurde der Kläger regelmäßig augenärztlich untersucht. Bei der Entlassung wurde eine Kontrolle nach drei weiteren Monaten empfohlen. Bereits nach etwa fünf Wochen stellte sich heraus, dass sich eine Netzhautablösung entwickelt hatte. Das rechte Auge ist vollständig erblindet. Auf dem linken Auge hat der Kläger eine hochgradige Sehbehinderung. Der Kläger machte geltend, es sei ein Fehler gewesen, eine Kontrolluntersuchung erst drei Monate nach der Krankenhausentlassung zu empfehlen. Das LG Oldenburg wies die Klage ab, weil es einen direkten Zusammenhang zwischen dem späten Kontrolltermin und der Netzhautablösung nicht für erwiesen hielt. Dagegen legte der Kläger Berufung ein.

OLG sprich 130.000 Euro Schmerzensgeld zu

Die Berufung hatte Erfolg. Der Senat hat dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 130.000 Euro zugesprochen. Bei der Empfehlung, das Kind erst in drei Monaten wieder einem Augenarzt vorzustellen, handele es sich um eine fehlerhafte Sicherungsaufklärung. Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen hätte die gebotene deutlich frühere ärztliche Nachbegutachtung der Netzhaut zu einer weiteren, erfolgreichen Behandlung geführt (etwa Laserbehandlung). Die Klinik hafte für den entstandenen Schaden.

Betrag geht deutlich über Antrag hinaus

Mit dem zugesprochenen Schmerzensgeldbetrag ging der Senat deutlich über den Antrag des Klägers hinaus. Dieser hatte den Prozess auf der Grundlage von Prozesskostenhilfe geführt und nur ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 80.000 EUR verlangt. Das Kind werde sein Leben lang auf Hilfen angewiesen sein. Außerdem schulde die beklagte Klinik Schadensersatz für die materiellen Schäden, die nicht durch die Sozialversicherungsträger übernommen werden, so das OLG.

OLG Oldenburg, Urteil vom 01.03.2023 - 5 U 45/22

Redaktion beck-aktuell, 20. März 2023.