Auch nach Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung: Strafverteidiger bekommt volle Vergütung
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Wird eine Pflichtverteidigerbestellung auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin aufgehoben, erhält der Anwalt dennoch die vollen Gebühren. Als beigeordneter Pflichtverteidiger darf er dem OLG Nürnberg zufolge darauf vertrauen, für seine geleistete Arbeit auch bezahlt zu werden. 

Das AG Amberg hatte in einem Ermittlungsverfahren den bisherigen Wahlverteidiger eines Beschuldigten nachträglich als Pflichtverteidiger beigeordnet, nachdem der einen Fall der notwendigen Verteidigung geltend gemacht hatte: Nur über seinen Verteidiger könne der Beschuldigte Einsicht in die Dateien auf seinem Smartphone bekommen, die die Polizei als jugendpornographisch einstufte.

Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die das Ermittlungsverfahren schon vor der Beiordnung eingestellt hatte, hob das LG die Pflichtverteidigerbestellung auf. Eine nachträgliche rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung für ein abgeschlossenes Verfahren sei nicht möglich, so die Begründung. Daraufhin verlangte der Strafverteidiger die Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 491 Euro (netto).

Die Vorinstanzen verneinten einen Vergütungsanspruch des Anwalts gegenüber der Staatskasse. Vor dem OLG Nürnberg bekam der Verteidiger in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung aber Recht.

Pflichtverteidiger darf auf seine Bestellung vertrauen

Die Nürnberger Richter betonen, dass der Pflichtverteidiger darauf vertrauen können müsse, für seine Tätigkeiten nach § 45 Abs. 3 Satz 1 RVG auch vergütet zu werden. Sie stellten klar, dass die spätere Aufhebung der nachträglichen Pflichtverteidigerbestellung auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft nicht dazu führe, dass die Bestellung von Anfang an entfallen wäre. Vielmehr trete diese Wirkung erst zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung ein. Das habe zur Folge, dass gemäß § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG auch die Tätigkeiten vor seiner Bestellung zu vergüten seien.

In diesem Zusammenhang ist § 142 Abs. 7 StPO, der die sofortige Beschwerde gegen die Bestellung eines Pflichtverteidigers normiert, laut OLG ergänzend dahingehend auszulegen, dass der wirksam, aber nicht rechtskräftig bestellte Pflichtverteidiger erst dann entpflichtet wird, wenn das Beschwerdegericht die Bestellung aufhebt. So bestünden zum einen keine Zweifel an der Wirksamkeit der bis dahin vorgenommenen Handlungen des Pflichtverteidigers und zum anderen werde das Vertrauen des Pflichtverteidigers in seine Bestellung geschützt; und damit auch das Vertrauen darauf, dass er für seine geleistete Arbeit auch bezahlt wird. 

OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.07.2023 - Ws 133/23

Redaktion beck-aktuell, 2. August 2023.