Im Urteil gegendert: "Sachverständige Person" despektierlich?
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Die Generalstaatsanwaltschaft war mit der Entscheidung eines Amtsgerichts in einer Bußgeldsache juristisch nicht einverstanden. Doch interessanter ist die Kritik in der B-Note: Geschlechtsneutrale Formulierungen hätten in einem Urteil eigentlich nichts verloren, meint auch das OLG Naumburg.

Das OLG Naumburg hat ein Urteil des AG Dessau-Roßlau vom 19. Februar dieses Jahres aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Hintergrund waren sachlich-rechtliche Mängel in der Urteilsbegründung, die eine klare und bestimmte Darstellung der Urteilsgründe verhinderten. Diese Mängel betrafen insbesondere die Geschwindigkeitsmessung, die Eichung des Messgeräts und die Anhörung des Messbeamten. Aber auch eine bemerkenswerte Stilkritik findet sich in der Entscheidung (Beschluss vom 12.06.2025 – 1 ORbs 133/25), über die zunächst die Welt berichtet hatte.

Im zugrunde liegenden Fall hatte das AG Dessau-Roßlau gegen eine Person wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit ein Bußgeld von 480 Euro verhängt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Der Betroffene legte Rechtsbeschwerde ein und rügte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft (GenStA) unterstützte die Rechtsbeschwerde und beantragte die Aufhebung des Urteils.

Die Richterinnen und Richter des OLG Naumburg schlossen sich in ihrem Beschluss dem Vortrag der Staatsanwaltschaft an - kommentarlos. So enthält die Entscheidung wenig mehr als eine Wiedergabe der Beschwerdebegründung der GenStA, die bemängelte, im Urteil des AG Dessau-Roßlau hätten wesentliche Angaben zur Geschwindigkeitsmessung gefehlt, auch weitere klassische Fehler in Bußgeldverfahren bemängelten die OLG-Richterinnen und Richter.

"Sachverständige Person" statt Sachverständiger

Bemerkenswert ist jedoch ein – ebenfalls vom OLG zitierter – Eingangspassus aus dem Antrag der GenStA, der mit der eigentlichen Bußgeldsache nichts zu tun hatte. "Vorab ist zu bemerken, dass das Urteil – in atypischer Weise – geschlechtsneutrale Formulierungen hinsichtlich der Verfahrensbeteiligten verwendet" schrieb die GenStA. So werde der Betroffene, bei dem es sich laut seinem Verteidiger "unzweideutig um einen 'Herrn'" handele, im Tenor und in den Urteilsgründen des AG durchweg als "betroffene Person" bezeichnet, der angehörte Sachverständige wird als "sachverständige Person" und der Messbeamte als "messverantwortliche Person". Nur der erkennende Richter selbst habe sich "als solcher und nicht etwa als 'richtende Person'" bezeichnet, kommentierte die GenStA.

Die Darstellung in den Urteilsgründen müsse aber klar und bestimmt sein; dem widerspreche ein Urteil, in dem Verfahrensbeteiligte "geschlechtslos oder -verwirrend" bezeichnet würden, so die Behörde. Die geschlechtsneutralen Bezeichnungen seien nur dann angebracht, "wenn die betreffenden Verfahrensbeteiligten ausdrücklich um eine geschlechtsneutrale Bezeichnung nachsuchten". "Im Übrigen muteten derartige Bezeichnungen von Menschen in hoheitlichen Erkenntnissen despektierlich an" kritisierte die GenStA.

Im Ergebnis schlossen die Richterinnen und Richter des OLG Naumburg sich der Auffassung der Behörde an und entschieden gemäß § 79 Abs. 6 OWiG, das Urteil des AG Dessau-Roßlau aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.

OLG Naumburg, Beschluss vom 12.06.2025 - 1 ORbs 133/25

Redaktion beck-aktuell, mam, 4. Juli 2025.

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