OLG Mün­chen: Zschä­pe im NSU-Pro­zess wegen Mor­des zu le­bens­lan­ger Haft ver­ur­teilt

Es ist ein his­to­ri­sches Ur­teil: Nach mehr als fünf Jah­ren NSU-Pro­zess wird Beate Zschä­pe als Mör­de­rin ver­ur­teilt, be­kommt le­bens­läng­lich. Doch der ju­ris­ti­sche Streit dürf­te damit noch nicht zu Ende sein: Er­war­tet wird, dass der Bun­des­ge­richts­hof das Ur­teil über­prü­fen muss.

Ver­ur­tei­lung als Mit­tä­te­rin

Im NSU-Pro­zess ist die Haupt­an­ge­klag­te Beate Zschä­pe wegen zehn­fa­chen Mor­des zu le­bens­lan­ger Haft ver­ur­teilt wor­den. Das Ober­lan­des­ge­richt Mün­chen stell­te am 11.07.2018 zudem die be­son­de­re Schwe­re der Schuld fest - damit ist eine vor­zei­ti­ge Haft­ent­las­sung nach 15 Jah­ren recht­lich zwar mög­lich, in der Pra­xis aber so gut wie aus­ge­schlos­sen. Mit dem his­to­ri­schen Ur­teils­spruch folg­te das Ge­richt dem An­trag der Bun­des­an­walt­schaft und ver­ur­teil­te Zschä­pe als Mit­tä­te­rin an den Mor­den und An­schlä­gen des "Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Un­ter­grunds" (NSU). Das OLG hat für Zschä­pe keine Si­che­rungs­ver­wah­rung im An­schluss an ihre Haft­stra­fe an­ge­ord­net. Die Rich­ter kamen zu dem Schluss, dass eine Si­che­rungs­ver­wah­rung nicht er­for­der­lich sei, sagte der OLG-Pres­se­spre­cher Flo­ri­an Gli­witz­ky nach der Ur­teils­ver­kün­dung.

Lange Haft­stra­fen auch für Mit­an­ge­klag­te

Der Mit­an­ge­klag­te Ralf Wohl­le­ben wurde als Waf­fen­be­schaf­fer für den NSU zu zehn Jah­ren Haft ver­ur­teilt. Das Ober­lan­des­ge­richt sprach ihn der Bei­hil­fe zum Mord schul­dig. Der Mit­an­ge­klag­te Hol­ger G. wurde zu drei Jah­ren Haft ver­ur­teilt, der Mit­an­ge­klag­te André E. zu zwei Jah­ren und sechs Mo­na­ten, der Mit­an­ge­klag­te Cars­ten S. zu drei Jah­ren Ju­gend­stra­fe. Damit endet nach mehr als fünf Jah­ren einer der längs­ten und auf­wen­digs­ten In­di­zi­en­pro­zes­se der deut­schen Nach­kriegs­ge­schich­te. Es wurde aber damit ge­rech­net, dass Zschäpes Ver­tei­di­ger Re­vi­si­on ein­le­gen. Dann müss­te der Bun­des­ge­richts­hof das Ur­teil über­prü­fen.

NSU: Leben im Un­ter­grund

Zschä­pe hatte fast 14 Jahre lang mit ihren Freun­den Uwe Mund­los und Uwe Böhn­hardt im Un­ter­grund ge­lebt. In die­ser Zeit er­mor­de­ten die bei­den Män­ner neun Ge­wer­be­trei­ben­de tür­ki­scher oder grie­chi­scher Her­kunft und eine deut­sche Po­li­zis­tin, zudem ver­üb­ten sie zwei Bom­ben­an­schlä­ge in Köln mit Dut­zen­den Ver­letz­ten. Zwar gibt es kei­nen Be­weis, dass Zschä­pe an einem der Tat­or­te war. Die An­kla­ge hatte Zschä­pe al­ler­dings eine ma­ß­geb­li­che Rolle bei der Tar­nung des Trios zu­ge­schrie­ben und ar­gu­men­tiert, Zschä­pe habe "alles ge­wusst, alles mit­ge­tra­gen und auf ihre ei­ge­ne Art mit­ge­steu­ert und mit be­wirkt". Die­ser Ar­gu­men­ta­ti­on folg­te das Ge­richt nun mit sei­nem Ur­teil.

Ver­tei­di­ger sehen keine Grund­la­ge für Mord-Ver­ur­tei­lung

Zschäpes zwei Ver­tei­di­ger-Teams hat­ten den Frei­spruch ihrer Man­dan­tin von allen Mor­den und An­schlä­gen ge­for­dert: Die 43-Jäh­ri­ge sei keine Mit­tä­te­rin, keine Mör­de­rin und keine At­ten­tä­te­rin. Zschä­pe selbst hatte in schrift­li­chen Ein­las­sun­gen gel­tend ge­macht, sie habe von den Mor­den und An­schlä­gen ihrer Freun­de immer erst im Nach­hin­ein er­fah­ren. "Bitte ver­ur­tei­len Sie mich nicht stell­ver­tre­tend für etwas, was ich weder ge­wollt noch getan habe", hatte sie in ihrem per­sön­li­chen Schluss­wort ans Ge­richt ap­pel­liert. Zschäpes Ver­trau­ens­an­wäl­te hat­ten eine Haft­stra­fe von unter zehn Jah­ren ge­for­dert. Ihre ur­sprüng­li­chen drei Ver­tei­di­ger hat­ten die so­for­ti­ge Frei­las­sung be­an­tragt, weil die Haft­stra­fe für die Brand­stif­tung mit der Un­ter­su­chungs­haft schon ab­ge­gol­ten sei.

Hin­ter­grund

Das Auf­flie­gen des NSU im No­vem­ber 2011 hatte ein po­li­ti­sches Beben in Deutsch­land aus­ge­löst - weil eine rechts­ex­tre­me Ter­ror­zel­le jah­re­lang un­be­hel­ligt von den Be­hör­den im Un­ter­grund leben und mor­dend durch die Re­pu­blik zie­hen konn­te. Jah­re­lang hat­ten die Er­mitt­ler zuvor fal­sche Fähr­ten ver­folgt und den rechts­ex­tre­men Hin­ter­grund der Taten ver­kannt. Statt­des­sen wur­den engs­te Fa­mi­li­en­ge­hö­ri­ge als Ver­däch­ti­ge be­han­delt und drang­sa­liert. In der Folge wur­den Un­ter­su­chungs­aus­schüs­se des Bun­des­ta­ges und meh­re­rer Land­ta­ge ein­ge­setzt, um teils ekla­tan­te Be­hör­den­feh­ler auf­zu­klä­ren.

Redaktion beck-aktuell, 11. Juli 2018 (dpa).

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