Recht auf Anwalt des Vertrauens nach Erkrankung des beigeordneten Anwalts

Erkrankt ein beigeordneter Anwalt schwer, so muss die Partei nicht zwangsläufig dessen amtlich bestellten Vertreter als Ersatz akzeptieren. Dem OLG München zufolge kommt es dabei entscheidend darauf an, dass auch einem Verfahrenskostenhilfeempfänger das Recht zusteht, primär einen Anwalt seines Vertrauens zu wählen und zu beauftragen.

Mit der einspringenden Rechtsanwältin nicht einverstanden

Beim AG Landshut war ein Sorgerechtsverfahren eines heute einjährigen Kindes anhängig. Dessen Mutter wurde dort Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin F als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet. Nachdem die Juristin längerfristig schwer erkrankte, wurde die Anwältin A als deren Vertreterin bestellt. Damit war die Mutter nicht einverstanden. Deshalb beantragte sie vergeblich, die Verfahrenskostenhilfe dahingehend zu ändern, dass Anwältin A entbunden und ihr Anwalt H als Verfahrensbevollmächtigter für die erste Instanz beigeordnet werde.

AG verneint triftigen Grund und gibt Mehrkosten zu bedenken

Ein triftiger Grund für die Entpflichtung von Rechtsanwältin A und die Beiordnung von Anwalt H bestehe nicht und durch den Anwaltswechsel entstünden Mehrkosten, so die Begründung des Landshuter Richters. Die Beschwerde der Mutter beim OLG München hatte Erfolg.

Anwalt des Vertrauens ist entscheidend

Das OLG München entpflichtete A für das erstinstanzliche Verfahren und ordnete Rechtsanwalt H als Verfahrensbevollmächtigten nach §§ 78, 76 FamFG bei. Zwar könne einem Verfahrenskostenhilfeberechtigten ein anderer Anwalt anstelle des bisher beigeordneten Anwalts nur beigeordnet werden, wenn ein wichtiger Grund für den Anwaltswechsel bestehe, der nicht in der Person des Vertretenen liegen oder durch diesen veranlasst worden sein dürfe. Ein wichtiger Grund in diesem Sinn liege insbesondere dann vor, wenn der bisherige Bevollmächtigte den Verfahrenskostenhilfeberechtigten nicht mehr vertreten könne. Insoweit habe das AG zwar zu Recht ausgeführt, dass Anwältin A als amtlich bestellte Vertreterin keinerlei Versäumnis vorzuwerfen sei und sie geeignet und in der Lage sei, das Mandat fortzuführen. Dem OLG zufolge kommt es jedoch entscheidend darauf an, dass auch dem verfahrenskostenhilfeberechtigten Beteiligten das Recht zusteht, primär einen Anwalt seines Vertrauens zu wählen und zu beauftragen. Dieses Recht werde nicht dadurch gewahrt, dass die Kammer einen geeigneten Vertreter bestellt. Denn auch ein Beteiligter, der die Mehrkosten eines Anwaltswechsels selbst zu tragen hätte, würde einen Anwalt seines Vertrauens mit der Weiterführung des Mandats beauftragen, wenn der bisherige krankheitsbedingt das Mandat nicht mehr wahrnehmen könne.

OLG München, Beschluss vom 23.06.2023 - 16 WF 542/23

Redaktion beck-aktuell, 26. Juni 2023.