Haftstrafen in Terrorprozess gegen Mitglieder türkischer kommunistischer Partei

Das Oberlandesgericht München hat zehn türkische Staatsangehörige wegen Mitgliedschaft in einer in der Türkei als Terrorgruppe eingestuften Organisation zu teils langen Haftstrafen verurteilt. Nach mehr als vierjähriger Verhandlungsdauer kam das Gericht am 28.07.2020 zu dem Schluss, dass die Angeklagten für die Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) Mitglieder geworben, Veranstaltungen organisiert, und Geld beschafft hatten.

Angeklagte sehen sich selbst als Freiheitskämpfer

Die neun Männer und eine Frau türkischer sowie kurdischer Abstammung mussten sich seit Juni 2016 wegen der Unterstützung einer terroristischen ausländischen Vereinigung im Ausland verantworten. Wie damals demonstrierten auch zum Urteil vor dem Gericht Anhänger der Angeklagten, die sich selbst als Freiheitskämpfer sehen. Im Gericht begrüßten weitere Anhänger die Angeklagten mit Klatschen.

Sechseinhalb Jahre Haft für Hauptangeklagten

Den Hauptangeklagten verurteilte das Gericht unter Vorsitz von Manfred Dauster zu sechseinhalb Jahren Haft wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Es blieb damit nur wenig unter der Forderung der Bundesanwaltschaft von sechs Jahren und neun Monaten. Die übrigen bekamen Strafen zwischen zwei Jahren und neun Monaten und fünf Jahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland.

TKP/ML in Deutschland unter Beobachtung, aber nicht verboten

Die in den 1970er Jahren gegründete und in Gruppen zersplitterte TKP/ML führt in der Türkei einen teils blutigen Kampf gegen den Staat. Vier Kinder starben, als ein Sprengsatz in einer Garage hochging, in der sie spielten - der Anschlag galt einem lokalen Mandatsträger. In Deutschland beobachtet der Verfassungsschutz die TKP/ML. Allerdings ist sie nicht verboten. Die Anklagebehörde blieb auch nach rund 270 Verhandlungstagen im Kern bei ihrem Vorwurf, sie hatte für alle Angeklagten mehrjährige Haftstrafen von mindestens dreieinhalb Haft verlangt.

Verteidiger hatten Freisprüche oder Einstellung gefordert

Die Anwälte hingegen beantragten Freisprüche beziehungsweise die Einstellung des Verfahrens. Sie kritisierten, die Beweise, dass es eine terroristische Vereinigung gebe, entstammten Akten der türkischen Polizei. Die deutsche Justiz mache sich zur Handlangerin des türkischen Staates. Das Verfahren hätte auch deshalb eingestellt werden müssen, weil der türkische Staat kein Schutzgut im Sinne des § 129b StGB sei, sagte Anwalt Alexander Hoffmann vor dem Urteil. Die Unterstützung einer ausländischen Terrorgruppe wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in Deutschland mit diesem Paragrafen strafbar.

Rechtsmittel angekündigt

Nach dem Urteil haben mehrere Anwälte bereits Rechtsmittel angekündigt. "Die Angeklagten sind zu hohen Haftstrafen in einem Verfahren verurteilt worden, das nur als Auftragsarbeit für die Türkei bezeichnet werden kann", sagte die Anwältin des Hauptangeklagten, Antonia von der Behrens. "Wir werden umgehend Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen." Die Angeklagten hätten hierzulande nicht gegen Gesetze verstoßen. "Die TKP/ML ist in Deutschland nicht verboten und steht auf keiner Terrorliste", sagte Behrens weiter. "Nur die Türkei stuft sie bisher als terroristisch ein und bekämpft ihre Mitglieder wie die gesamte Opposition mit menschenrechtswidrigen Methoden." Auch der Anwalt eines Mitangeklagten, Alexander Hoffmann, kündigte an, das Urteil anzufechten. Die für solche Verfahren nötige Verfolgungsermächtigung des Bundesjustizministeriums hätte nicht erteilt werden dürfen und das Verfahren eingestellt werden müssen, sagte er.

OLG München, Urteil vom 28.07.2020

Redaktion beck-aktuell, 28. Juli 2020 (dpa).