Gewöhnlicher Aufenthaltsort bei betreutem Erblasser

Befand sich ein Erblasser bis zu seinem Tod mehr als zehn Jahre in einem Pflegeheim, hatte er dort seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt. Das gilt laut Oberlandesgericht München auch, wenn er in dieser Zeit wegen Demenz betreut wurde und der Betreuer das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausübte. Selbst dann wäre jedenfalls das Nachlassgericht am Ort des Pflegeheims örtlich zuständig.

Betreuer übte das Aufenthaltsbestimmungsrecht aus

Eine an Demenz erkrankte Erblasserin wohnte seit 2011 bis zu ihrem Tod 2022 in einem Sonthofener Pflegeheim. Das Amtsgericht Günzburg hatte für sie 1974 wegen einer geistigen Erkrankung einen Betreuer bestellt, dessen Aufgabenbereich unter anderem die Aufenthaltsbestimmung umfasste. Ab dieser Zeit lebte sie erst in einem Fachpflegeheim in Oy, vor 1974 bei ihrem Vater in Berlin. Sie wurde bis zu ihrem Tod betreut.

Zwei Nachlassgerichte erklären sich für örtlich unzuständig

Nach dem Tod der Erblasserin erklärte sich zunächst das Amtsgericht Sonthofen für örtlich unzuständig. Es stellte darauf ab, dass die Verstorbene letztmalig geschäftsfähig gewesen sei, als sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Au gehabt habe, das zum Bezirk des Amtsgerichts Günzburg gehöre. Aber auch dort erklärte man sich für örtlich unzuständig und legte die Akten dem OLG München zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor. Auf eine fehlende Geschäftsfähigkeit der ehemaligen Pflegeheimbewohnerin komme es nicht an, so die Begründung der Günzburger Richter.

Letzter tatsächlicher Lebensmittelpunkt ist entscheidend

Der 33. Zivilsenat des OLG München bestimmte als zuständiges Nachlassgericht das Amtsgericht Sonthofen, da die Erblasserin dort ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt gemäß § 343 Abs. 1 FamFG hatte. Bereits der Umstand, dass sie vor ihrem Tod zehn Jahre lang an diesem Ort gelebt habe, spreche dafür, dass sie dort ihren "Daseinsmittelpunkt" gehabt habe. Dies gelte auch dann, wenn sie wegen ihrer psychischen Erkrankung am allgemeinen Leben nur eingeschränkt teilgenommen habe. Denn dies habe gerade ihrem Lebenszuschnitt entsprochen. Insoweit teilt das OLG München die in der Literatur vertretene Auffassung, dass auch Personen, die ohne oder mit nur wenig sozialer Integration und ohne besondere gesellschaftliche Kontakte leben, einen gewöhnlichen Aufenthalt haben/bilden. 

Aufenthaltsbestimmungsrecht des Betreuers steht nicht entgegen

Dem OLG München zufolge steht dem nicht entgegen, dass die Erblasserin ihren Aufenthaltsort seit 1974 nicht frei wählen durfte. Selbst wenn der Ansicht gefolgt werde, nach der es auf die Aufenthaltsbestimmung des Betreuers ankomme, wäre hier ebenfalls das Gericht am Ort des Pflegeheims in Sonthofen, in dem die Frau verstarb, zuständig. Dafür spreche jedenfalls, dass ein Betreuer den Betreuten bei der Aufhebung/Begründung eines Wohnsitzes vertreten dürfe.

Redaktion beck-aktuell, 13. März 2023.