Programm "Smart Law" zur Erstellung von Rechtsdokumenten verstößt nicht gegen Rechtsdienstleistungsgesetz
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Ein elektronischer Generator von Rechtsdokumenten verstößt nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Das hat das Oberlandesgericht Köln im Fall "Smart Law" am 19.06.2020 entschieden. Das schematische Erstellen eines Vertrages durch die Software mittels Auswahl von Textbausteinen anhand einer fixen Liste von Ja-Nein-Fragen stelle keine Rechtsberatung dar. Geklagt hatte die Hamburger Rechtsanwaltskammer, die auch die zugelassene Revision einlegen wird.

Vertragserstellung durch Beantwortung von Ja-Nein-Fragen

Das Programm eines juristischen Verlages richtet sich an ein fachfremdes Publikum. Mit seiner Hilfe können Verbraucher in mehreren Rechtsgebieten Rechtsdokumente, insbesondere Verträge, erstellen, nachdem sie durch einen Frage-Antwort-Katalog geführt worden sind. Der herausgebende Verlag hatte das Produkt unter anderem mit der Aussage beworben, es erzeuge "Rechtsdokumente in Anwaltsqualität" und sei "günstiger und schneller als der Anwalt". 

RAK sieht Verstoß gegen RDG

Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg hatte sich sowohl gegen die Werbung als auch gegen das Produkt an sich gewandt. Sie war der Auffassung, dass das Programm der Rechtsanwaltschaft vorbehaltene Rechtsdienstleistungen erbringe (§§ 2, 3 RDG). Ihr Präsident Christian Lemke erklärte, es sei auch Aufgabe seiner Organisation, offene Rechtsfragen, wie sie sich insbesondere im Bereich LegalTech stellten, einer gerichtlichen Klärung zu unterziehen. "Deswegen haben wir auch den aus unserer Sicht wettbewerbswidrigen und mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz nicht vereinbaren Smart Law-Vertragsgenerator angegriffen", so Lemke weiter. Dagegen hatte der Verlag argumentiert, dass der Vertragsgenerator ähnlich wie die seit vielen Jahren etablierten Programme zur Erstellung einer Steuererklärung wirke. Zielgruppe seien Personen, die ihre Verträge ohne anwaltliche Hilfe selbst erstellen würden und bisher auf gedruckte Formulare und Muster zurückgegriffen hätten. 

OLG verweist auf "wenigermiete.de"-Entscheidung

Das OLG hat die Klage nun abgewiesen und das anderslautende Urteil des Landgerichts Köln abgeändert. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 1 RDG ein Verbot des streitigen Produkts ableiten lasse. Auch der Bundesgerichtshof habe sich in seiner "wenigermiete.de"-Entscheidung vor dem Hintergrund der Deregulierung und Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes für eine großzügige Betrachtung ausgesprochen. Der vom Rechtsdienstleistungsgesetz bezweckte Schutz vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen erfordere das Verbot des Programms nicht. 

Vertragsgestaltung zwischen Königsdisziplin und Automatisierung

Vertragsgestaltung möge im Einzelfall eine Königsdisziplin der anwaltlichen Beratung sein. Ein Dokumentengenerator erweitere aber lediglich das bestehende Hilfsangebot von Vorstücken oder Formularhandbüchern zur Erledigung der eigenen Rechtsangelegenheiten in eigener Verantwortung um eine naheliegende digitale Möglichkeit. Ein Schutz vor unqualifizierter Rechtsberatung müsse nur dort gewährleistet werden, wo eine rechtliche Beratung tatsächlich oder vorgeblich stattfinde. Für die Nutzer sei aber ohne weiteres erkennbar, dass der Dokumentengenerator nach einem Frage-Antwort-Schema vorgegebene Wortbausteine miteinander kombiniere und dass das Ergebnis von der Qualität der Bausteine und der im Programm vorgegebenen logischen Verknüpfungen einerseits sowie andererseits von der Richtigkeit, Sinnhaftigkeit und Stimmigkeit der eigenen Auswahlentscheidungen abhänge. 

Programm übt schon keine Tätigkeit aus

Zu den Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 RDG gehöre, dass eine "Tätigkeit in konkreter fremder Angelegenheit, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert" dem Nichtanwalt untersagt ist. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Denn das Programm selbst entfalte keine "Tätigkeit" im Sinn der Vorschrift. Eine "Tätigkeit" erfordere eine menschliche oder zumindest mitdenkende Aktivität. Ein rein schematisch ablaufender Subsumtionsvorgang, der vorgegebene Ja-Nein-Entscheidungsstrukturen abarbeite, erfülle diese Voraussetzung dagegen nicht. Ob dies beim Einsatz echter künstlicher Intelligenz anders zu bewerten sei, sei nicht zu entscheiden gewesen. 

Auch kein Verstoß durch Programmierung der Software

Das Programmieren der abstrakten rechtlichen Entscheidungsbäume der Software sei zwar eine Tätigkeit, diese aber betreffe keine "konkreten" fremden Angelegenheiten. Außerdem beträfen die in das Programm eingeflossenen juristischen Wertungen keine "rechtliche Prüfung des Einzelfalles", sondern eine Vielzahl denkbarer Fälle. Das Programm laufe erkennbar nach einer festgelegten Routine in einem Frage-/Antwortschema ab, mit dem ein Sachverhalt in ein vorgegebenes Raster eingefügt werde. Streng logisch ablaufende und zu immer den gleichen eindeutigen Ergebnissen führende Verfahren seien daher auch nicht als objektive Rechtsprüfung im Rahmen einer juristischen Subsumtion zu bewerten.

Programmnutzer handeln nicht in "fremden" Angelegenheiten

Die Kunden, die das Programm benutzten, handelten schließlich nicht in "fremder" Angelegenheit, sondern in eigener Sache. Jedem, der das Programm tatsächlich benutze, sei klar, dass er bei der Auswahl der Optionen keinen Rechtsrat erhalte, sondern in eigener Verantwortung einen Lebenssachverhalt in ein vorgegebenes Raster einfüge, während im Hintergrund ein rein schematischer Ja-Nein-Code ausgeführt werde.

Berufung gegen Werbeverbot zurückgenommen

In erster Instanz war dem Verlag zusätzlich verboten worden, für das Produkt mit Aussagen wie "Günstiger und schneller als der Anwalt" und "Rechtsdokumente in Anwaltsqualität" zu werben. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte der Verlag nach einem Hinweis des Senats zurückgenommen, so dass dieses Verbot bereits rechtskräftig geworden ist. 

RAK wird Revision einlegen

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen. Kammerpräsident Lemke sagte hierzu: "Diese werden wir einlegen, weil uns die Wertung des OLG nicht überzeugt. Das Rechtsdienstleistungsgesetz dient ausdrücklich dazu, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen. Aus Sicht der Hansatischen Rechtsanwaltskammer bedarf es dieses Schutzes unabhängig davon, ob eine Rechtsdienstleistung durch einen Menschen oder vollautomatisiert durch Algorithmen erbracht wird."

OLG Köln, Urteil vom 19.06.2020 - 6 U 263/19

Redaktion beck-aktuell, 19. Juni 2020.

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