Pkw-Fahrer muss zu Karneval mit alkoholisiertem Fußgänger auf der Fahrbahn rechnen

Wird ein alkoholisierter Fußgänger (hier: in Bärenkostüm) an Karneval zur Nachtzeit auf der Fahrbahn von einem Pkw erfasst, ist trotz des grob fahrlässigen Verhaltens des Fußgängers eine Mithaftung des Pkw-Fahrers aus Betriebsgefahr in Höhe von 25% möglich, wenn dieser sich nicht wie ein Idealfahrer verhalten hat. Dies geht aus einem jetzt mitgeteilten Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 06.03.2020 hervor. Das OLG streicht heraus, dass an Karneval mit alkoholisierten Fußgängern zu rechnen sei.

LG bejahte Mithaftung des Pkw-Fahrers in Höhe von 25%

Der Kläger war in der Nacht nach Rosenmontag zu Fuß auf dem Weg nach Hause. Er trug ein dunkelbraunes (Ganzkörper)-Bärenkostüm. Die Strecke führte ihn entlang einer Bundesstraße, an deren Seite sich ein Fuß- und Radweg befindet. Auf der unbeleuchteten Strecke war eine Geschwindigkeit von 70 km/h zulässig. Der mit 1,5 Promille alkoholisierte Kläger geriet auf die Fahrbahn der Bundesstraße, wurde auf der linken Hälfte der Fahrspur von einem Opel Corsa erfasst und dabei schwer verletzt. Das erstinstanzlich zuständige Landgericht Bonn entschied, dass der Kläger zu 75% und die Beklagten - Fahrer und Haftpflichtversicherung des Opel Corsa - zu 25% für die Schäden haften.

OLG: Mithaftung nicht zu beanstanden

Das OLG hat in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass die Haftungsquote der Beklagten mit 25% nicht zu hoch angesetzt worden sei. Dem Kläger falle zwar ein ganz erheblicher Sorgfaltspflichtverstoß zur Last. Er habe gegen § 25 Abs. 3 StVO verstoßen, als er sich nachts mitten auf der Fahrbahn befunden habe. Diese enorme Sorglosigkeit des Klägers sei als alkoholbedingte Ausfallerscheinung einzuordnen. Obwohl der Kläger für die Entstehung des Schadens maßgebliche Ursachen damit grob fahrlässig selbst herbeigeführt habe, habe sich aber auch die mit einem Kfz verbundene Betriebsgefahr verwirklicht. Auch gegenüber einem sich grob fahrlässig verhaltenden Fußgänger hafte ein Autofahrer, wenn er sich selbst nicht wie ein "Idealfahrer" verhalten habe.

Alkoholisierte Fußgänger an Karneval nicht unwahrscheinlich

Von diesem - von den Beklagten zu beweisenden - Umstand könne aber nicht ausgegangen werden. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger sei erst im letzten Moment vor das Auto getreten und der Unfall vom Fahrer unter keinen Umständen zu verhindern gewesen, sei nicht bewiesen worden. Es sei nicht mehr feststellbar, wann der Kläger die Fahrbahn betreten habe. Auch ein Sachverständiger hätte zur Klärung dieser Frage nichts beitragen können. Angesichts der Verkehrssituation, die bei Nacht und Feuchtigkeit besondere Aufmerksamkeit des Fahrers erfordert habe, sei eine Mithaftung in Höhe einer Betriebsgefahr von 25% angemessen, zumal alkoholisierte Fußgänger an Karneval nicht gänzlich unwahrscheinlich seien. Auf einen Hinweisbeschluss des Gerichts hin haben die Beklagten die Berufung zurückgenommen. 

OLG Köln, Beschluss vom 06.03.2020 - 11 U 274/19

Redaktion beck-aktuell, 8. Mai 2020.