OLG Köln: Kein Scha­dens­er­satz für Flug­un­fall zwei­er deut­scher Luft­sport­ler in Ita­li­en

Das Ober­lan­des­ge­richt Köln hat einem deut­schen Dra­chen­flie­ger, der in Nord­ita­li­en mit einem deut­schen Gleit­schirm­flie­ger kol­li­diert und ab­ge­stürzt war, Scha­dens­er­satz ver­sagt. Im Rah­men der An­spruchs­prü­fung seien die "Vor­flug­re­geln" des ita­lie­ni­schen Luft­rechts zu be­rück­sich­ti­gen ge­we­sen, gegen die der Klä­ger ver­sto­ßen habe. Die all­ge­mei­ne Be­triebs­ge­fahr des Gleit­schirms sei hin­ter dem Ver­schul­den des Dra­chen­flie­gers und der hö­he­ren Be­triebs­ge­fahr des Dra­chens voll­stän­dig zu­rück­ge­tre­ten (Ur­teil vom 27.03.2020, Az.: 1 U 95/19).

Köl­ner Dra­chen­flie­ger kol­li­dier­te in Ita­li­en mit Bon­ner Gleit­schirm­flie­ger

Der aus Köln stam­men­de Klä­ger war in Nord­ita­li­en mit einem Hän­ge­glei­ter (Dra­chen) un­ter­wegs, der aus dem Bon­ner Um­land stam­men­de Be­klag­te mit einem Gleit­schirm. Es herrsch­te reger Flug­be­trieb mit mehr als zehn Gleit­schir­men in der Luft, als die Par­tei­en bei schwa­cher Ther­mik in rund 80 Me­tern Höhe kol­li­dier­ten. Der Dra­che des Klä­gers wurde auf den Rü­cken ge­dreht, der Klä­ger fiel von oben in das Segel und stürz­te ab. Trotz der Höhe zog er sich le­dig­lich Prel­lun­gen und eine Stau­chung des lin­ken Hand­ge­lenks zu. Der Be­klag­te konn­te sei­nen Ret­tungs­schirm öff­nen und blieb un­ver­letzt. Der Klä­ger war der Auf­fas­sung, dass der Be­klag­te den Un­fall ver­schul­det habe, und be­gehr­te Schmer­zens­geld in Höhe von min­des­tens 1.500 Euro sowie Er­satz wei­te­rer Schä­den in Höhe von rund 5.000 Euro. Die Klage blieb vor dem Land­ge­richt Bonn ohne Er­folg. Da­ge­gen legte der Klä­ger Be­ru­fung ein.

OLG: Ita­lie­ni­sche Vor­flug­re­geln an­zu­wen­den

Die Be­ru­fung des Klä­gers hatte kei­nen Er­folg. Die deut­schen Ge­rich­te hät­ten bei ihrer Ent­schei­dung zwar An­spruchs­grund­la­gen des deut­schen Rechts an­wen­den, dabei aber auch die Si­cher­heits- und Ver­hal­tens­re­geln nach ita­lie­ni­schem Luft­recht be­rück­sich­ti­gen müs­sen. Nach dem ein­schlä­gi­gen ita­lie­ni­schen Prä­si­di­al­de­kret und den Aus­weich­re­geln des Re­go­la­men­to Re­go­le dell`Aria Ita­lia des ENAC (Na­tio­na­le An­stalt für die Zi­vil­luft­fahrt) hät­ten nicht mo­to­ri­sier­te Flug­ge­rä­te, die in einem ther­mi­schen Auf­wind in einer kreis­för­mig nach oben stei­gen­den Dre­hung flie­gen, das Vor­flug­recht. An­de­re nicht mo­to­ri­sier­te Flug­ge­rä­te müss­ten aus­wei­chen. Dabei gebe der­je­ni­ge den Dreh­sinn vor, der sich als ers­ter in dem ther­mi­schen Auf­wind be­fin­de. Au­ßer­dem gelte die all­ge­mei­ne Sicht­flug­re­ge­lung, wo­nach fort­ge­setz­ter Blick­kon­takt mit mög­li­chen an­de­ren For­men des Luft­ver­kehrs er­for­der­lich sei, sowie ein Gebot ge­gen­sei­ti­ger Rück­sicht­nah­me.

Ver­stoß gegen Vor­flug­re­geln und Rück­sicht­nah­me­ge­bot

Das OLG kam mit Hilfe eines Sach­ver­stän­di­gen zu der Über­zeu­gung, dass nicht der Be­klag­te, son­dern der Klä­ger gegen die Flug­re­geln ver­sto­ßen habe. Die Aus­wer­tung der von den In­stru­men­ten auf­ge­zeich­ne­ten Daten be­le­ge, dass der Be­klag­te sich schon vor dem Klä­ger im Be­reich der Ther­mik be­fun­den hatte und im Steig­flug ge­we­sen war, als sich der Klä­ger rund zehn Se­kun­den vor der Kol­li­si­on mit einer ge­fähr­li­chen Rechts­kur­ve vor den Gleit­schirm des Be­klag­ten setz­te. Da der Klä­ger an­statt um das ge­mein­sa­me Dreh­zen­trum der Ther­mik zu krei­sen auf die­ses zu­ge­flo­gen sei, Wir­bel­schlep­pen er­zeugt habe, die den Gleit­schirm ins Strau­cheln hät­ten brin­gen kön­nen, nicht stets einen Über­blick über die in sei­ner Nähe be­find­li­chen an­de­ren Pi­lo­ten ge­habt und gegen das Rück­sicht­nah­me­ge­bot ver­sto­ßen habe, habe ihn ein er­heb­li­ches Ver­schul­den an dem Un­fall ge­trof­fen.

All­ge­mei­ne Be­triebs­ge­fahr eines Dra­chen höher

Zudem habe ein Dra­che grund­sätz­lich eine hö­he­re Be­triebs­ge­fahr, da er schnel­ler flie­ge als Gleit­schir­me und dem Pi­lo­ten nur eine ein­ge­schränk­te Sicht er­mög­li­che. Die nach § 41 LuftVG grund­sätz­lich zu be­rück­sich­ti­gen­de Be­triebs­ge­fahr des Gleit­schirms des Be­klag­ten sei da­hin­ter voll­stän­dig zu­rück­ge­tre­ten.

OLG Köln, Urteil vom 27.03.2020 - 1 U 95/19

Redaktion beck-aktuell, 30. März 2020.

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