Kölner Drachenflieger kollidierte in Italien mit Bonner Gleitschirmflieger
Der aus Köln stammende Kläger war in Norditalien mit einem Hängegleiter (Drachen) unterwegs, der aus dem Bonner Umland stammende Beklagte mit einem Gleitschirm. Es herrschte reger Flugbetrieb mit mehr als zehn Gleitschirmen in der Luft, als die Parteien bei schwacher Thermik in rund 80 Metern Höhe kollidierten. Der Drache des Klägers wurde auf den Rücken gedreht, der Kläger fiel von oben in das Segel und stürzte ab. Trotz der Höhe zog er sich lediglich Prellungen und eine Stauchung des linken Handgelenks zu. Der Beklagte konnte seinen Rettungsschirm öffnen und blieb unverletzt. Der Kläger war der Auffassung, dass der Beklagte den Unfall verschuldet habe, und begehrte Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1.500 Euro sowie Ersatz weiterer Schäden in Höhe von rund 5.000 Euro. Die Klage blieb vor dem Landgericht Bonn ohne Erfolg. Dagegen legte der Kläger Berufung ein.
OLG: Italienische Vorflugregeln anzuwenden
Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Die deutschen Gerichte hätten bei ihrer Entscheidung zwar Anspruchsgrundlagen des deutschen Rechts anwenden, dabei aber auch die Sicherheits- und Verhaltensregeln nach italienischem Luftrecht berücksichtigen müssen. Nach dem einschlägigen italienischen Präsidialdekret und den Ausweichregeln des Regolamento Regole dell`Aria Italia des ENAC (Nationale Anstalt für die Zivilluftfahrt) hätten nicht motorisierte Fluggeräte, die in einem thermischen Aufwind in einer kreisförmig nach oben steigenden Drehung fliegen, das Vorflugrecht. Andere nicht motorisierte Fluggeräte müssten ausweichen. Dabei gebe derjenige den Drehsinn vor, der sich als erster in dem thermischen Aufwind befinde. Außerdem gelte die allgemeine Sichtflugregelung, wonach fortgesetzter Blickkontakt mit möglichen anderen Formen des Luftverkehrs erforderlich sei, sowie ein Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme.
Verstoß gegen Vorflugregeln und Rücksichtnahmegebot
Das OLG kam mit Hilfe eines Sachverständigen zu der Überzeugung, dass nicht der Beklagte, sondern der Kläger gegen die Flugregeln verstoßen habe. Die Auswertung der von den Instrumenten aufgezeichneten Daten belege, dass der Beklagte sich schon vor dem Kläger im Bereich der Thermik befunden hatte und im Steigflug gewesen war, als sich der Kläger rund zehn Sekunden vor der Kollision mit einer gefährlichen Rechtskurve vor den Gleitschirm des Beklagten setzte. Da der Kläger anstatt um das gemeinsame Drehzentrum der Thermik zu kreisen auf dieses zugeflogen sei, Wirbelschleppen erzeugt habe, die den Gleitschirm ins Straucheln hätten bringen können, nicht stets einen Überblick über die in seiner Nähe befindlichen anderen Piloten gehabt und gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen habe, habe ihn ein erhebliches Verschulden an dem Unfall getroffen.
Allgemeine Betriebsgefahr eines Drachen höher
Zudem habe ein Drache grundsätzlich eine höhere Betriebsgefahr, da er schneller fliege als Gleitschirme und dem Piloten nur eine eingeschränkte Sicht ermögliche. Die nach § 41 LuftVG grundsätzlich zu berücksichtigende Betriebsgefahr des Gleitschirms des Beklagten sei dahinter vollständig zurückgetreten.