Streit zwischen deutschen Investoren und EU-Staat nach Kohleausstieg
2021 leiteten zwei Gesellschaften mit satzungsmäßigem Sitz in Deutschland gegen die Antragstellerin - einen souveränen EU-Mitgliedsstaat - Schiedsverfahren vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten ein. Sie verlangten jeweils die Feststellung der Verletzung von Verpflichtungen gemäß des Vertrages über die Energiecharta (ECV) sowie Schadensersatz für getätigte Investitionen in im Staatsgebiet des EU-Mitgliedsstaates gelegene Kohlekraftwerke nach dessen regulatorischer Entscheidung, bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen.
EU-Staat wendet sich ans OLG Köln
Der so in Anspruch genommene EU-Mitgliedsstaat hat daraufhin beim Oberlandesgericht Köln Anträge auf Feststellung der Unzulässigkeit dieser Schiedsverfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO eingereicht und dabei die Auffassung vertreten, bei den eingeleiteten Schiedsverfahren handele es sich um sogenannte Intra-EU-Investor-Staat-Schiedsverfahren, die wegen der europarechtlichen Unvereinbarkeit solcher Verfahren auf der Grundlage des ECV unzulässig seien. Die Unternehmen rügten jeweils die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Köln und die Anwendbarkeit des § 1032 ZPO in den Streitfällen.
Schiedsverfahren für Intra-EU-Streitigkeiten unzulässig
Das Oberlandesgericht hat den Anträgen des EU-Mitgliedsstaates stattgegeben. In den Streitfällen ergebe sich eine Verpflichtung zur Anwendbarkeit von
§ 1032 Abs. 2 ZPO. Nach der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs sei die Schiedsklausel in
Art. 26 Abs. 2 c) in Verbindung mit Abs. 3 und Abs. 4 ECV für Intra-EU-Streitigkeiten, also einer Streitigkeit zwischen einem Mitgliedstaat und einem Investor aus einem anderen Mitgliedstaat, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar und könne damit keine wirksame Rechtsgrundlage für eine auf diese Norm gestützte Schiedsbindung sein.
OLG Köln, Beschluss vom 01.09.2022 - 19 SchH 14/2
Redaktion beck-aktuell, 8. September 2022.
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
Wilske/Ebert, Entwicklungen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit im Jahr 2021 und Ausblick auf 2022, SchiedsVZ 2022, 111
EuGH, Unzulässige Schiedsklausel in Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten, BeckRS 2018, 2315
EuGH, Unanwendbarkeit der ECT-Schiedsklausel zwischen EU-Mitgliedstaaten, BeckRS 2021, 24500
EuGH, Aufnahme einer in einem Investitionsabkommen enthaltenen ungültigen Schiedsklausel in einer Schiedsvereinbarung, BeckRS 2021, 31827
EuGH, Erstreckung der Achmea-Rechtsprechung auf ICSID-Spruch mit Bezug zu schadensbegründenden Handlungen des verurteilten Staats vor seinem Beitritt zur EU, RIW 2022, 219 (m. Anm. von Marschall)
Aus dem Nachrichtenarchiv
Ungültige Schiedsklausel in Investitionsabkommen ersetzende ad-hoc-Schiedsvereinbarung unionsrechtswidrig, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 26.10.2021, becklink 2021295
Keine Beeinträchtigung der Autonomie des Unionsrechts bei Schiedsverfahren auf Grundlage vor EU-Beitritt geschlossener bilateraler Investitionsschutzabkommen, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 02.07.2021, becklink 2020271
EuGH: Schiedsklausel in Investitionsschutzabkommen zwischen Niederlande und Slowakei verstößt gegen EU-Recht, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 06.03.2018, becklink 2009253