Maskenkauf war kein Fixgeschäft: Bund muss 86 Millionen Euro zahlen

Das Gesundheitsministerium war nicht wirksam vom Vertrag mit einem Maskenlieferanten zurückgetreten. Nun muss der Bund dem Unternehmen 86 Millionen Euro plus Zinsen zahlen, hat das OLG Köln entschieden. Ähnliche Urteile könnten noch folgen und den Bund Milliarden kosten – der will deshalb den BGH einschalten.

Das OLG hat entschieden, dass das Bundesgesundheitsministerium für einen wirksamen Rücktritt von dem Vertrag mit der Handelsfirma ILTS zunächst eine Frist zur Leistung hätte setzen müssen, was unterblieben war (Urteil vom 19.07.2024 - 6 U 101/23). Es hob damit das Urteil des LG Bonn teilweise auf, das die Fristsetzung noch für entbehrlich gehalten hatte. Das OLG hat nun klargestellt: Bei dem Maskenkauf hatte es sich nicht um ein relatives Fixgeschäft gehandelt, das die Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich macht (§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Auch die AGB des Ministeriums waren unwirksam.

Die Kölner Richter ließen in dem Urteil keine Revision zu. Allerdings ist eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH möglich, die der Bund auch einlegen will. Die Bundesrepublik Deutschland, so betonte das Gesundheitsministerium nach dem Urteil, halte an ihrer Rechtsauffassung fest, wonach ein Vertrag mit terminierter Liefervereinbarung (Fixgeschäft) wirksam geschlossen worden sei.

Für den Bund steht einiges auf dem Spiel. Neben ILTS stehen nämlich noch knapp 100 weitere Klagen von Maskenlieferanten an, auf die das OLG-Urteil Einfluss haben dürfte. Insgesamt könnte der Bund mehr als 2,3 Milliarden Euro schulden.

OLG lehnt Fixgeschäft ab

Zu Beginn der Coronapandemie hatte das Bundesgesundheitsministerium im Weg einer offenen Ausschreibung massenhaft Coronaschutzmasken zu hohen Preisen eingekauft. Bei dieser Art Ausschreibung nimmt der Auftraggeber keine Auswahl vor: Jeder der mitmacht bekommt den Zuschlag. Als dann aber die Ware der teilnehmenden Händler den Bedarf an Masken überstieg, verweigerte das Ministerium die Annahme mit Verweis auf ihre Vertragsbedingungen, die die Leistungspflichten an einen fixen Liefertermin knüpften (Fixgeschäft). Dagegen wendeten sich zahlreiche Händler mit Klagen, darunter auch ILTS.

Ein Fixgeschäft hätten die Parteien nämlich nicht vereinbart, stellt nun das OLG klar – zumindest kein relatives Fixgeschäft, das eine Fristsetzung für den Rücktritt entbehrlich macht. Stattdessen sei in den vorformulierten Vertragsbedingungen ein absolutes Fixgeschäft vereinbart gewesen: Danach sollten die wechselseitigen Vertragspflichten bei Versäumung des Liefertermins entfallen. Diese Klausel der – der AGB-Kontrolle unterfallenden Vertragsbedingungen - hielt das OLG für unwirksam gemäß §§ 305c ff. BGB. Es sei höchstrichterlich entschieden, dass eine Formularbestimmung, die der Vereinbarung den Charakter des Fixhandelskaufs beimesse, ebenso überraschend im Sinne des § 305c BGB wie unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB sei, so das Gericht.

Für einen wirksamen Rücktritt hätte das Ministerium also eine Frist setzen müssen. Das LG war noch der Auffassung gewesen, dass die Klausel zu einer Vereinbarung über ein relatives Fixgeschäft umgedeutet werden könne. Dem hat das OLG nun eine Absage erteilt.

OLG Köln, Urteil vom 19.07.2024 - 6 U 101/23

Redaktion beck-aktuell, dd, 22. Juli 2024.