Fundamentaler Fehler der Vorgesetzten: Auch Assistenzärztin haftet persönlich

Eine Patientin starb nach einer Unterleibs-OP, weil Ober- und Assistenzärztin trotz Zweifeln aufgrund einer angeblichen Anweisung des Chefarztes destilliertes Wasser als Spüllösung einsetzen. Laut OLG Köln haften die Ärztinnen persönlich, da sie nicht auf eine Änderung des Vorgehens gedrungen hatten.

Eine vermeintliche gynäkologische Routine-OP endete mit dem Tod der Patientin, weil durch zwei Klinik-Ärztinnen bei einer Ausschabung destilliertes Wasser als Spüllösung eingesetzt wurde. Das Mittel gelangte dabei in den Blutkreislauf, woraufhin die Frau an Multiorganversagen verstarb, ohne das Bewusstsein wieder zu erlangen. Die Oberärztin plagten während des Eingriffs Zweifel, das Spülmittel überhaupt einzusetzen. Sie ging am Ende aber von einer Anweisung des Chefarztes aus, um die Geräte vor Korrosion zu schützen. Die Assistenzärztin hatte auch Zweifel, schwieg aber.

Klinik und Ärztinnen zahlten den Hinterbliebenen zwar einen Betrag von 30.000 Euro. Das war den Erben aber nicht genug, die zudem ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 20.000 Euro forderten. Das LG verurteilte die Beklagten aufgrund eines groben Behandlungsfehlers gesamtschuldnerisch (die Klinik sowie die Oberärztin in Höhe von 4.000 Euro und die Assistenzärztin in Höhe von 2.000 Euro). Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ergab, dass die Verwendung von destilliertem Wasser grob fehlerhaft war und den medizinischen Standards widersprach. Die Gynäkologinnen hätten ihre Remonstrationspflicht verletzt, indem sie die Anweisung nicht hinterfragten. Es gehöre zum Basiswissen eines jeden erfahrenen Arztes, dass Wasser nicht in den Blutkreislauf gelangen dürfe. Das sahen die beiden Ärztinnen anders, die in Berufung gingen – ohne Erfolg.

Auch das OLG Köln ging von einem groben Behandlungsfehler aus (Urteil vom 27.01.2025 – 5 U 69/24). Selbst wenn von einem Handeln auf Anordnung des vorgesetzten Chefarztes auszugehen wäre, schütze die Anweisung von oben die nachgeordneten Ärztinnen nicht vor einer persönlichen Belastung, so die Kölner Richterinnen und Richter. Denn es hätte Anhaltspunkte gegeben, die für eine fehlerhafte Vorgehensweise sprachen und eine Remonstrationspflicht begründeten. Die Gefährlichkeit von destilliertem Wasser und insbesondere von dessen Eindringen in die Blutbahn sei bereits Medizinstudenten bewusst.

Diese Gefahr hätte der Oberärztin im Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe, auch wenn sie den Eingriff zum ersten Mal durchführte, bekannt sein müssen, so dass sie auf eine Änderung der Anweisung hätte drängen müssen. Die Assistenzärztin habe ebenfalls gegen ihre Remonstrationspflicht verstoßen, da sie wusste, dass die Oberärztin eine derartige Operation – genauso wie sie selbst – zuvor noch nicht durchgeführt habe. Hätte sie ihr gegenüber ihre Zweifel geäußert, hätte dies die Oberärztin wahrscheinlich vom Einsatz einer üblichen Spüllösung überzeugt. Für das OLG stand fest: Ohne die Verwendung von destilliertem Wasser und dessen Eindringen in den Blutkreislauf wäre der Tod der Patientin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vermieden worden.

OLG Köln, Urteil vom 27.01.2025 - 5 U 69/24

Redaktion beck-aktuell, ns, 17. Februar 2025.

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