"Auch ich bin das Volk!"

Wer während der Urteilsverkündung ruft, dass "dieses Urteil eine Farce ist", und trotz Ermahnung weiterschimpft, verhält sich dem Gericht gegenüber ungebührlich und riskiert ein Ordnungsgeld. Das OLG Köln hielt einen deswegen erlassenen Beschluss aufrecht, obwohl er gravierende formelle Mängel hatte.

Ein Zuschauer vor dem LG Aachen musste miterleben, wie sein Sohn aufgrund der Aussage der Nebenklägerin verurteilt wurde. Nach Verkündung des Tenors rief er, dass das "eine Farce" sei: Das Urteil solle im Namen des Volkes ergehen, aber auch er sei das Volk. Der Vorsitzende ermahnte ihn und machte deutlich, dass er bei einer erneuten Störung ein Ordnungsgeld verhängen und ihn des Saales verweisen würde.

Der Vater konnte trotzdem nicht an sich halten und unterbrach den Richter erneut: Wann werde "denn die Nebenklägerin wegen ihrer Lügen bestraft?" Daraufhin verhängte der Richter ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 Euro gegen den renitenten Zuschauer. Dessen Rechtsmittel hatte trotz erheblicher formeller Mängel des Ordnungsgeldbeschlusses auch vor dem OLG Köln keinen Erfolg (Beschluss vom 17.07.2024 – 2 Ws 379/24).

Lauter Fehler

Der Vorsitzende hatte den Vater des Angeklagten nicht darüber belehrt, dass er nach § 181 GVG nur eine Woche Zeit hatte, gegen den Ordnungsgeldbeschluss vorzugehen. Mit Belehrung im Nichtabhilfebeschluss über den möglichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war dieses Hindernis jedoch behoben, so die Oberlandesrichter. Schwerer wog nach deren Ansicht, dass die Sitzungsniederschrift nur eine zweimalige Unterbrechung des Vorsitzenden bei der Urteilsverkündung und die Sanktionen vermerkt hatte. Auf Basis dieser Bemerkungen lasse sich nicht beurteilen, ob der Sachverhalt einen Ordnungsgeldbeschluss wegen Ungebühr nach § 178 GVG begründe. Die Kölner Richterinnen und Richter verwiesen auf § 182 GVG: Dieser sehe ausdrücklich vor, dass auch der Grund des Beschlusses aufgenommen werde. Der Sachverhalt müsse deutlich und nachvollziehbar festgehalten werden; eine bloße Unterbrechung könne auch gerechtfertigt sein, etwa wenn ein Zuschauer auf eine Gefahr oder akustische Probleme hinweise.

Ein solcher Protokollierungsmangel hat in der Regel die Aufhebung des Beschlusses zur Folge. Ausnahmsweise hielt das OLG den Beschluss jedoch aufrecht, weil der Sachverhalt eindeutig sei. Der Besucher war dem Vorwurf an ihn nicht als solchem entgegengetreten, sondern bemängelte nur die Verhältnismäßigkeit der Sanktion. Ihm half es auch nicht, dass er vor Festsetzung des Ordnungsgelds nicht angehört worden war. Bei einer vorherigen Ermahnung und Androhung der Sanktion wegen desselben Geschehens sei eine Anhörung entbehrlich, so das Gericht in der Domstadt.

OLG Köln, Beschluss vom 17.07.2024 - 2 Ws 379/24

Redaktion beck-aktuell, rw, 1. August 2024.