OLG Koblenz spricht im Abgasskandal Schadenersatz auch bei "spätem" Kfz-Kauf zu

Die Volkswagen AG haftet als Herstellerin des vom Abgasskandal betroffenen Motors EA 189 auch bei einem "späten" Kauf aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung. Eine Mitteilung vom 22.09.2015 und eine im Oktober 2015 freigeschaltete Website mit Informationen für die Öffentlichkeit über den Einbau der beanstandeten Software ließen das objektiv sittenwidrige Verhalten nicht entfallen, weil die Gefahr der Stilllegung des Fahrzeugs nicht offengelegt worden sei. Dies hat der 8. Senat des Oberlandesgerichts Koblenz entschieden (Urteile vom 13.03.2020 - Az.: 8 U 1351/19, BeckRS 2020, 6237 und vom 03.04.2020 - Az.: 8 U 1956/19, BeckRS 2020, 5086).

Jeweils vom Abgasskandal betroffenes Kfz gekauft

Der Senat hat damit seine Rechtsprechung gefestigt und die erstinstanzlichen Urteile des LG Trier und des LG Bad Kreuznach, die die Klage jeweils abgewiesen hatten, abgeändert. Auch andere Senate des OLG Koblenz verneinen im Fall eines "späten" Kaufs einen Schadenersatzanspruch. Den Entscheidungen liegt jeweils der Fall zugrunde, dass der Kläger ein vom sogenannten Abgasskandal betroffenes Fahrzeug deutlich nach Bekanntwerden des Manipulationsvorwurfs gekauft hatte. Im Fall 8 U 1351/19 erfolgte der Kauf eines gebrauchten VW Touran am 17.02.2016, im Fall 8 U 1956/19 erwarb der Kläger am 17.10.2017 einen gebrauchten VW Passat. Die Käufer hatten sich jeweils darauf berufen, von der Beklagten über die Beschaffenheit des Fahrzeugs getäuscht worden zu sein.

OLG Koblenz wirft Beklagter Bagatellisierung des Schadens vor

Nach Auffassung des 8. Senats haftet die Beklagte auch für diese "späten" Käufe aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung. Ihr objektiv sittenwidriges Verhalten habe zum Zeitpunkt des jeweiligen Kaufs weiterhin angedauert, weil sie die Öffentlichkeit im Zusammenhang mit dem Manipulationsvorwurf nicht hinreichend informiert habe. Die Beklagte vertrete bis heute die Auffassung, gar keine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut zu haben. Auch habe sie nicht offengelegt und eingeräumt, dass durch die Verwendung der Abschaltsoftware die Stilllegung der betroffenen Fahrzeuge drohe. Bis heute bagatellisiere die Beklagte auch den Schaden für die Umwelt.

VW-Mitteilung vom 22.09.2015

Die Mitteilung der Beklagten vom 22.09.2015 ist in den Urteilen wie folgt wiedergegeben: "Volkswagen treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran (...)Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt."

VWs Hinweis vom Oktober 2015

Der über die im Oktober 2015 von der Beklagten freigeschaltete Website abrufbare Hinweis ist in den Urteilen wie folgt wiedergegeben: " … wir müssen Sie leider informieren, dass der in Ihrem Fahrzeug mit der Fahrzeug-Identifikationsnummer (FIN) ... eingebaute Dieselmotor vom Typ EA 189 von einer Software betroffen ist, die Stickoxidwerte (NOx) im Prüfstand (NEFZ) optimiert. Wir versichern Ihnen jedoch, dass Ihr Fahrzeug technisch sicher und fahrbereit ist. Wir bedauern zutiefst, dass wir Ihr Vertrauen enttäuscht haben und arbeiten mit Hochdruck an einer technischen Lösung. Volkswagen wird schnellstmöglich auf Sie zukommen, um Sie über die notwendigen Maßnahmen zu informieren. Sollten Sie keinen Volkswagen-Kontakt haben, nutzen Sie bitte unsere Kontaktfunktion auf dieser Website."

OLG Koblenz, Urteil vom 13.03.2020 - 8 U 1351/19

Redaktion beck-aktuell, 4. Mai 2020.