OLG Koblenz: Kein deliktischer Schadensersatzanspruch bei Fahrzeugerwerb nach Bekanntgabe der Abgasproblematik durch VW

Wer ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug erworben hat, nachdem Volkswagen die Verwendung der beanstandeten Software und deren Wirkmechanismus öffentlich gemacht hatte, kann keinen Schadensersatz aus Delikt verlangen. Dies hat das Oberlandesgericht Koblenz mit Urteil vom 25.10.2019 entschieden. Die Bekanntgabe lasse die Sittenwidrigkeit und Täuschung entfallen. Unerheblich sei dabei, dass VW die Software nicht selbst als illegale Abschalteinrichtung eingestuft habe. Das OLG hat die Revision zugelassen (Az.: 3 U 948/19).

"Skandal-Diesel" wurde nach Bekanntgabe der Abgasproblematik gekauft

Der Kläger hatte im Oktober 2016 bei einem Autohaus einen gebrauchten VW Tiguan, Erstzulassung 18.12.2012, erworben, der mit dem vom sogenannten Diesel-Skandal betroffenen Dieselmotor EA 189 ausgestattet war. Ab September 2015 war – ausgehend von einer Pressemitteilung der beklagten Fahrzeug- und Motorherstellerin vom 22.09.2015 – über den Manipulationsvorwurf betreffend Motoren des Typs EA 189 in nationalen und internationalen Medien ausführlich berichtet worden. Zeitgleich mit der Pressemitteilung hatte die Beklagte unter anderem ihre Vertragshändler und Servicepartner über den Einbau der Umschaltlogik informiert. Gleichwohl nahm der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch, gestützt auf den Vorwurf der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung und des Betruges.

Ab Offenlegung der Softwareverwendung kein verwerfliches Verhalten mehr

Das OLG hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers verneint. Der Beklagten könne ab öffentlicher Bekanntgabe des Manipulationsvorwurfs per Pressemitteilung weder eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung noch eine betrügerische Täuschung angelastet werden. Sittenwidrigkeit erfordere eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens. Gerade dies sei aber ab dem Offenbaren des Einbaus der beanstandeten Steuerungssoftware nicht mehr feststellbar. Denn ab diesem Zeitpunkt sei das Handeln der Beklagten nicht mehr darauf gerichtet gewesen, Gewinn aus einer im Verborgenen liegenden Manipulation zu schöpfen.

Ab Offenlegung auch keine Täuschung mehr

Auch könne der Beklagten jedenfalls ab dem Zeitpunkt, in dem sie die Manipulationsproblematik offengelegt habe, auch nicht mehr vorgeworfen werden, potentielle Käufer getäuscht zu haben, so das OLG weiter. Die Beklagte habe dadurch, dass sie die Öffentlichkeit über den Einbau der beanstandeten Software informiert habe, gerade die mit dem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs verbundene Erklärung, dass dieses im Straßenverkehr ohne jede Einschränkung eingesetzt werden könne, stark relativiert.

Fehlende Einstufung als illegale Abschalteinrichtung durch VW selbst ohne Belang

Laut OLG ist bei alledem unerheblich, dass die Beklagte die Steuerungssoftware nicht selbst als illegale Abschalteinrichtung gebrandmarkt habe. Es genüge, dass potentiellen Käufern die Sachinformationen öffentlich bekannt gegeben worden seien.

OLG Koblenz, Urteil vom 25.10.2019 - 3 U 948/19

Redaktion beck-aktuell, 10. Dezember 2019.