Im "Rennmodus" verbleibt die Betriebsgefahr trotz Verschuldens des Unfallgegners

Wird eine Motorsport-Rennstrecke bei einer Touristenfahrt mit einer den Sichtverhältnissen nicht angepassten, hohen Geschwindigkeit (im “Rennmodus“) befahren, erhöht das die Betriebsgefahr, sodass diese bei einem Unfall auch dann nicht zurücktritt, wenn den Unfallgegner ein grobes Verschulden trifft. Dies ergibt sich aus einem Hinweisbeschluss, den das Oberlandesgerichts Koblenz in der Berufungsinstanz erlassen hat. 

Unfall bei “Touristenfahrt“ auf dem Nürburgring

Im September 2018 nutzte der Geschäftsführer der Klägerin deren Fahrzeug für eine sogenannte Touristenfahrt auf einer Motorsport-Rennstrecke. Hierbei passierte er mit einer Geschwindigkeit von rund 160 bis 170 km/h zunächst eine Bergkuppe und die anschließende, nur eingeschränkt einsehbare Linkskurve, bevor er die Kontrolle über das Auto verlor und in die Leitplanke einschlug. Ursächlich für den Unfall war eine Kühlmittelspur, die das Fahrzeug des Beklagten hinterlassen hatte.

LG bejahte trotz Fremdverschuldens Mithaftung der Klägerin

Die Klägerin nahm den Beklagten und dessen Haftpflichtversicherung auf Schadensersatz in Höhe von rund 65.000 Euro in Anspruch. Das Landgericht sprach der Klägerin einen Anspruch in Höhe von 75% des geltend gemachten Schadens zu und wies die Klage im Übrigen ab. Die vom Fahrzeug der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr sei mit 25% anzusetzen. Die Betriebsgefahr trete hier unter anderem deshalb nicht hinter dem Verschulden des Beklagten zurück, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Unfall bei angepasster Geschwindigkeit und Beachtung des Sichtfahrgebotes hätte verhindert werden können. Die Klägerin legte Berufung ein.

OLG: Klägerin muss sich Betriebsgefahr anrechnen lassen

Das Oberlandesgericht hat im Berufungsverfahren klargestellt, dass die konkrete Nutzung des Fahrzeugs der Klägerin dessen Betriebsgefahr erhöht habe, weshalb diese nicht hinter dem Verschulden des Beklagten zurücktrete. Erhöht sei eine Betriebsgefahr, wenn die regelmäßig und notwendigerweise mit dem Kraftfahrzeugbetrieb verbundenen Gefahren durch besondere Umstände vergrößert werden. Dies sei regelmäßig bei gefährlichen Fahrmanövern – wie hier – der Fall. Das Auto der Klägerin sei auf der Rennstrecke bei eingeschränkter Sicht mit hoher Geschwindigkeit im “Rennmodus“ gefahren worden. Der Unfallvermeidungsspielraum sei nahezu auf null reduziert gewesen. Ein Zurücktreten der Betriebsgefahr komme daher nicht in Betracht. Es sei auch nicht zu beanstanden, die Betriebsgefahr mit 25% anzusetzen. Die Klägerin hat die Klage auf den Hinweis zurückgenommen.

OLG Koblenz, Beschluss vom 05.01.2021 - 12 U 1571/20

Redaktion beck-aktuell, 15. Juni 2021.