OLG Karlsruhe zweifelt wegen polnischer Justizreform an fairem Strafverfahren bei Auslieferung nach Polen

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat aufgrund der Justizreformen in Polen Zweifel, ob die Unabhängigkeit der polnischen Justiz und der Anspruch eines Auszuliefernden auf ein faires Verfahren gewährleistet ist. Es hat deshalb in einem Verfahren, in dem über die Auslieferung eines polnischen Staatsangehörigen an die Republik Polen zur Strafverfolgung zu entscheiden ist, den Haftbefehl aufgehoben und die polnischen Behörden um weitere Auskunft zu den Auswirkungen der polnischen Justizreform auf das konkrete Verfahren ersucht (Beschluss vom 17.02.2020, Az.: 301 AR 156/19).

Disziplinarische Sanktionen für Richter stellen Unabhängigkeit und faires Verfahren in Frage

Damit knüpfe der Senat an Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs an, mit denen die nationalen Gerichte verpflichtet worden seien, die Gewährleistung des europäischen Grundrechts auf ein faires Verfahren bei einer Auslieferung zu prüfen (JuS 2018, 919), und die Zwangspensionierung von Richtern in Polen für unionsrechtswidrig erklärt worden sei (NJW 2020, 527), erläutert das Gericht. Der Senat sehe die Gefahr, dass die mit dem Verfahren befassten Richter nach dem Inkrafttreten des polnischen Gesetzes zur Änderung der Gerichtsverfassung vom 29.12.2019 allein aufgrund der von ihnen vorgenommenen Würdigung von Beweisen in einem Strafverfahren mit disziplinarischen Sanktionen rechnen müssten, wodurch ihre Unabhängigkeit und ein faires Verfahren in Frage gestellt seien. Eine endgültige Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung wird nach Angaben des OLG erst erfolgen, nachdem die polnischen Behörden Gelegenheit zur Beantwortung der Anfrage des Senats hatten.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.02.2020 - 301 AR 156/19

Redaktion beck-aktuell, 9. März 2020.

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