Zufahren mit Pkw auf Politesse

Die Anordnung, ein verkehrswidrig geparktes Fahrzeug nicht wegzubewegen, um den Verkehrsverstoß vor Ort zu klären, ist nach dem strafrechtlichen Rechtfertigungsbegriff rechtmäßig. Die Tatsache, dass das Fahrzeug mit dem Wegfahren aus dem Halteverbot entfernt wird, ändert laut Oberlandesgericht Karlsruhe nichts an dieser Bewertung. Das Zufahren auf eine Gemeindebedienstete mit dem Fahrzeug sei als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall einzustufen.

Abgestellt in Brandschutzzone

Ein Mann wehrte sich gegen seine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. Er hatte sein Fahrzeug verbotenerweise in der Brandschutzzone einer Innenstadt abgestellt. Zwei Gemeindebedienstete hatten den Wagen entdeckt und bereits einen Abschleppdienst alarmiert, als seine Ehefrau eintraf. Sie setzte sich auf den Fahrersitz. Die Verkehrsüberwacher konnten sie noch am Wegfahren hindern. Kurz danach erschien aber plötzlich ihr Ehemann und zerrte sie vom Fahrersitz. Er fuhr mit aufheulendem Motor los und ignorierte laute Rufe und Handzeichen, den Wagen zu stoppen. Die vor dem zügig beschleunigenden Auto stehende Beamtin musste sich durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit bringen. Das Amtsgericht Baden-Baden wertete dies als besonders schweren Fall des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB – Kfz als gefährliches Werkzeug) und als tätlichen Angriff auf diese (§ 114 StGB). Seine Revision stützte der Mann unter anderem darauf, dass er den Wagen aus der Verbotszone entfernt und es keinen Grund gegeben habe, ihn daran zu hindern. Das OLG Karlsruhe bestätigte die Entscheidung des AG.

Rechtmäßige Anordnung

Der Strafsenat des OLG betont, dass die Aufforderung, nicht wegzufahren ("Stopp, Halt!"), ein wirksamer mündlicher Verwaltungsakt gewesen sei. Nach dem strafrechtlichen Rechtfertigungsbegriff reiche es aus, dass der Hoheitsträger örtlich und sachlich zuständig sei, wesentliche Förmlichkeiten eingehalten würden und Ermessen pflichtgemäß ausgeübt werde. Die Bediensteten hätten hier zunächst die Personalien der Beteiligten klären und gleichzeitig versuchen wollen, zwischen dem Halter und dem Abschleppunternehmer direkt eine Vereinbarung über die Kosten der Anfahrt zu vermitteln. Die Karlsruher Richter konnten beide Motive gut nachvollziehen: Die Sache hätte aufgeklärt werden müssen und bei direkter Übernahme des Aufwands für den Einsatz durch den Autofahrer hätte die Behörde nicht die Kosten durch Bescheid eintreiben müssen. Damit verfange der Einwand des Fahrers nicht. 

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 02.03.2023 - 35 Ss 57/23

Redaktion beck-aktuell, 29. März 2023.