Eine Mutter hatte für ihren heute 21-jährigen Sohn eine private Unfallversicherung abgeschlossen. Diese schloss unter 5.1.1 der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB) 2000 einen Versicherungsschutz aus bei Unfällen, „durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen, sowie (…) epileptische Anfälle.“ Der junge Mann litt an einer Angststörung und Depressionen. Im Januar 2019 sprang er aus dem Fenster seines Zimmers, um sich umzubringen. Er brach sich beide Beine sowie die Wirbelsäule. Die Assekuranz wollte nicht zahlen: Es fehle an der Unfreiwilligkeit des Unfallereignisses. Daraufhin klagte die Frau auf Basis eines angenommenen Invaliditätsgrads von 33,5% eine Invaliditätsleistung von 36.200 Euro ein.
Das LG wies die Klage zurück. Der Leistungsausschluss nach 5.1.1 AUB 2000 greife, weil der Sohn – nach dem Vortrag seiner Mutter – aufgrund seiner psychischen Erkrankung zum Zeitpunkt des Suizidversuchs einem Zwang unterlegen habe und nicht frei habe handeln können. Dann sei von einer Schädigung in Folge einer Geistes- oder Bewusstseinsstörung im Sinne der Versicherungsbedingungen auszugehen. Auch beim OLG Karlsruhe hatte sie keinen Erfolg.
Dem OLG Karlsruhe zufolge gilt der Haftungsausschluss auch hier, so dass der Mutter kein Anspruch auf Leistungen aus der Unfallversicherung nach 1.1, 1.3 (Unfallereignis durch unfreiwillige Gesundheitsschädigung) AUB 2000 in Verbindung mit § 178 VVG zustand (Urteil vom 16.5.2024 – 12 U 175/23). Zwar habe wahrscheinlich ein Unfall vorgelegen, da der Sohn wohl aufgrund seiner Erkrankung keine freie Entscheidung für oder gegen einen Suizid habe treffen können.
Unfähigkeit, aufgrund von Geistesstörung Handlungen rational zu steuern
Das LG habe aber zutreffend dargelegt, so das OLG weiter, dass eine depressive Episode, welche die freie Willensbestimmung mit Blick auf den Suizid ausschließe, als eine Geistes- oder Bewusstseinsstörung für einen Leistungsausschluss nach 5.1.1 AUB 2000 anzusehen sei. Ein Wahrnehmungsdefizit sei dafür nicht erforderlich, ausreichend sei vielmehr, dass der Sohn nicht in der Lage gewesen sei, Sinneseindrücke geistig zu verarbeiten und auf sie angemessen zu reagieren.
Dafür, dass auch die von der Mutter geltend gemachte krankheitsbedingte Aufhebung der freien Willensbildung vom Ausschlusstatbestand erfasst werde, spreche, dass 5.1.1 AUB 2000 nach seinem Wortlaut neben der Störung des Bewusstseins gerade auch Unfälle auf Grund einer Geistesstörung der versicherten Person erfassen solle. Darunter falle auch der vorliegende Fall, da der junge Mann nicht in seiner Aufnahme- oder Reaktionsfähigkeit gestört, sondern nicht in der Lage gewesen sei, seine Handlungen rational zu steuern. Auch der Zweck der Klausel, vom Versicherungsschutz solche Unfälle auszunehmen, die sich als Folge einer bereits vor dem Unfall bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigung beim Versicherten darstellten, spreche dafür, Unfälle aufgrund einer psychischen Erkrankung auszuschließen.