Der heute 32 Jahre alte Aktivist des Aktionsbündnisses "Aufstand Letzte Generation aus Freiburg " blockierte in drei Fällen Straßen, indem er sich auf der Fahrbahn festklebte. Hierbei kam es zu langen Staus. Das Handeln gründete auf seiner Kritik an der Klimapolitik sowie dem Umgang mit der "Lebensmittelverschwendung". Erstinstanzlich wurde er vom AG Freiburg vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen (Urteil vom 21.11.2022 - 24 Cs 450 Js 18098/22). Das Gericht befand, dass zwar objektiv von Nötigungshandlungen auszugehen sei. Es fehle jedoch an der für die Strafbarkeit erforderlichen Verwerflichkeit gemäß § 240 Abs. 2 StGB. Dies akzeptierte die Staatsanwaltschaft nicht und legte Sprungrevision ein.
Das OLG Karlsruhe hat nunmehr dem Rechtsmittel stattgegeben und die Sache zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen (Urteil vom 20.02.2024 - 2 ORs 35 Ss 120/23). Der Begriff der Verwerflichkeit sei nicht im Sinn eines moralischen Werturteils zu verstehen, sondern meine sozialwidriges Verhalten. Bei der Beurteilung, ob ein Verhalten verwerflich sei, müssten deshalb alle für die Mittel-Zweck-Relation wesentlichen Umstände und Beziehungen erfasst und eine Abwägung der auf dem Spiel stehenden Rechte, Güter und Interessen nach ihrem Gewicht in der sie betreffenden Situation vorgenommen werden.
In diesem Rahmen seien auch die Auswirkungen auf betroffene Dritte und deren Grundrechte zu berücksichtigen. Wichtige Abwägungselemente seien deshalb unter anderen die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, etwaige Ausweichmöglichkeiten sowie der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand.
Feststellungen des AG waren lückenhaft
Das Urteil des AG sei hier lückenhaft, weil es nicht zu allen für die Abwägung maßgeblichen Umständen hinreichende Feststellungen getroffen habe. So habe es die Dauer der Blockade und das Ausmaß der durch sie ausgelösten Verkehrsbeeinträchtigung nicht in jedem Fall konkret genug festgestellt. In allen Fällen fehle es zudem an hinreichenden Feststellungen zu Ausweichmöglichkeiten für die von den Straßenblockaden betroffenen Verkehrsteilnehmer.
Darüber hinaus sei das AG dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Prüfungsmaßstab nicht vollständig gerecht geworden. Insbesondere habe es nicht ausreichend in seine Abwägung eingestellt, in welcher Beziehung die von den Blockaden betroffenen Personen zu dem Kommunikationsanliegen des Klimaklebers standen. Die blockierten Autofahrer hätten nur zu einem Teil des verfolgten Anliegens – nämlich als CO2-Emittenten und zur Forderung nach einem Tempolimit auf Autobahnen – einen direkten Bezug aufgewiesen. Zu dem Thema der Lebensmittelverschwendung habe dagegen allenfalls eine mittelbare Verbindung bestanden.
Das AG muss jetzt in der Sache neu verhandeln. Hierzu hat der Senat darauf hingewiesen, dass ungeachtet der noch im Einzelnen zu treffenden Feststellungen nach der derzeitigen Sachlage die Verneinung der Verwerflichkeit eher fernliegen dürfte.