Leistungspflicht von Betriebsschließungsversicherungen in der Corona-Pandemie
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Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit zwei heute verkündeten Urteilen die Voraussetzungen für die Leistungspflicht von Betriebsschließungsversicherungen bei coronabedingter Schließung konkretisiert. Im einen Fall hat es dabei einen Zahlungsanspruch des Betreibers eines Hotels bejaht und im anderen – bei anders formulierten Versicherungsbedingungen – einen Anspruch des Betriebsinhabers verneint.

Verweis auf IfSG

Der erste Fall (Az.: 12 U 4/21) betraf die vorübergehende pandemiebedingte Schließung eines Hotels mit angeschlossener Gaststätte in Heidelberg. In den Versicherungsbedingungen der zum 01.01.2020 abgeschlossenen Betriebsschließungsversicherung wird mehrfach auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) Bezug genommen und bestimmt, dass eine Entschädigung für eine Betriebsschließung "beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)" geleistet wird, wobei der in dieser Nr. 2 enthaltene Katalog auf die "folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger" verweist. Die COVID-19-Krankheit beziehungsweise der SARS-CoV-2-Krankheitserreger sind dort nicht aufgeführt.

Verstoß gegen gesetzliches Transparenzgebot

Die Begrenzung des Versicherungsschutzes auf einen abschließenden Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern, der hinter dem Umfang des IfSG zurückbleibt, ist hier nach der Beurteilung des OLG nicht hinreichend klar und verständlich erfolgt, sodass sie wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Transparenzgebot für Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam sei. Durch die in den Versicherungsbedingungen zunächst erfolgte wiederholte Bezugnahme auf das IfSG werde dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer der Eindruck vermittelt, dass jede Betriebsschließung aufgrund des IfSG vom Versicherungsschutz erfasst sei.

Regelung für Versicherungsnehmer unklar

Dass der Versicherungsschutz demgegenüber durch den abschließenden Katalog meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger eingeschränkt ist, werde dem Versicherungsnehmer nicht deutlich genug vor Augen geführt. Der Versicherungsnehmer erkenne nicht, dass der Katalog in den Versicherungsbedingungen bereits bei seiner Erstellung nicht mehr dem Stand des IfSG entsprach und der gewährte Versicherungsschutz darüber hinaus maßgeblich vom Verständnis meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger im IfSG mit den dort in §§ 6 und 7 enthaltenen Generalklauseln abweicht.

Coronabedingte Schließung umfasst

Die Unwirksamkeit der Klausel, die den Versicherungsschutz auf einen abschließenden Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern begrenzt, führt laut OLG dazu, dass gemäß der allgemeinen Regelung in den Versicherungsbedingungen jede Betriebsschließung "beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger" versichert ist. Da eine Meldepflicht der COVID-19-Krankheit beziehungsweise von SARS-CoV-2-Krankheitserregern nach den Generalklauseln in §§ 6 und 7 IfSG – unabhängig von der späteren ausdrücklichen Aufnahme in die Listen des IfSG – bereits zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles im März 2020 bestand, sei die Betriebsschließung aufgrund der Corona-Pandemie auch vom Versicherungsumfang umfasst.

Nicht auf behördliche Einzelfallanordnungen beschränkt

Das OLG stellte klar, dass der Versicherungsschutz sich nicht auf behördliche Einzelfallanordnungen bei im Betrieb aufgetretenen Infektionen beschränkt, sondern auch den "Lockdown" durch Verordnung der Landesregierung mit Wirkung zum 21.03.2020 umfasst. Diese Verordnung habe sich trotz der noch möglichen begrenzten Beherbergung von Geschäftsleuten oder dem noch möglichen Außer-Haus-Verkauf von Speisen faktisch wie eine Betriebsschließung ausgewirkt.

Revision zum BGH zugelassen

Das OLG hat das klageabweisende Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und den beklagten Versicherer antragsgemäß zur Zahlung von circa 60.000 Euro verurteilt. Die Revision zum BGH hat es wegen grundsätzlicher Bedeutung und unter Berücksichtigung abweichender Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

IfSG an keiner Stelle erwähnt

Im zweiten Fall (Az.: 12 U 11/21) ging es um eine Hotel- und Gaststättenanlage in Hessen, für die im Jahr 2019 eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen worden war. Die dortigen Versicherungsbedingungen erwähnen das IfSG an keiner Stelle und enthalten die ausdrückliche und mit einer hervorgehobenen Überschrift versehene Regelung, dass meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieses Vertrags "nur" die in einem nachfolgenden Katalog aufgezählten sind, in dem weder die Krankheit COVID-19 noch der Krankheitserreger SARS-CoV-2 enthalten ist.

Kein Versicherungsschutz für Betriebsschließung

In diesem Fall hat das OLG das klageabweisende Urteil des LG Mannheim bestätigt. Bei in dieser Weise formulierten Versicherungsbedingungen bestehe kein Versicherungsschutz für eine Betriebsschließung in Folge der Corona-Pandemie. Angesichts der eindeutig gefassten Klausel sei die Risikobegrenzung durch den abschließenden Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern weder mehrdeutig noch überraschend. Die Klausel begründe auch keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers, weil sie – anders als im ersten Fall – den Anforderungen des Transparenzgebotes entspreche und auch darüber hinaus nicht vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweiche oder wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränke, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet sei. Die Revision hat das OLG im zweiten Fall nicht zugelassen, da zu der streitgegenständlichen Klausel in Literatur und Rechtsprechung keine abweichenden Auffassungen vertreten würden.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.06.2021 - 12 U 4/21

Redaktion beck-aktuell, 30. Juni 2021.