Ein Versicherungsnehmer in Baden-Württemberg verlangte von seiner Rechtsschutzversicherung eine Deckungsschutzzusage für eine Schadensersatzklage gegen einen Automobilhersteller wegen einer fehlerhaften Abgasvorrichtung ("Diesel-Skandal"). Zunächst erging ein Versäumnisurteil zu seinen Gunsten. Der Rechtsanwalt der Versicherung erhob Einspruch dagegen – allerdings erst einen Tag nach Fristablauf.
Seinen Wiedereinsetzungsantrag begründete er mit einer beA-Störung: Er war am Abend des Fristablaufs auswärtig untergebracht, weil er dort am nächsten Tag eine Verhandlung wahrnehmen wollte. Er verschickte sechs Schriftsätze erfolgreich per beA, bevor er um 23.15 Uhr zum Einspruchsschriftsatz kam. Den konnte er nicht mehr versenden, weil das beA eine technische Störung hatte, die erst am nächsten Vormittag ihr Ende fand. Ein Faxgerät stand ihm nicht zur Verfügung. Die Möglichkeit, den Schriftsatz per Computerfax zu versenden, war ihm nicht geläufig.
Das Landgericht verwarf die Berufung als unzulässig. Die Berufung der Versicherung zum OLG Karlsruhe war aber erfolgreich, dieses gab dem Wiedereinsetzungsantrag statt und entschied in der Sache teilweise zugunsten der Versicherung.
Rechtsanwalt muss kein Faxgerät mitschleppen
Der Versicherung war dem OLG Karlsruhe (Urteil vom 05.10.2023 – 12 U 47/23) zufolge Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zu gewähren, weil seine Säumnis nicht verschuldet war. Die Einspruchsfrist dürfe bis zum letzten Tag ausgeschöpft werden, der Rechtsanwalt müsse dann nur eine Zeitreserve einplanen, um sicherzustellen, dass trotz unvorhergesehener Verzögerungen noch Zeit ist, den Übermittlungsvorgang fristgemäß zu wiederholen. Dem sei der Beklagtenvertreter nachgekommen: Um 23.15 Uhr könne davon ausgegangen werden, dass der Schriftsatz auch dann noch fristgemäß ankomme, wenn der Sendevorgang wiederholt werden müsse.
Der Rechtsanwalt ist dem OLG zufolge auch nicht verpflichtet, einen zweiten Versandweg per Fax vorzuhalten oder auf einen anderen Versandweg, etwa das Computerfax, auszuweichen, den er bisher noch nicht genutzt hatte. § 130d Satz 2 ZPO erlaube zwar ein Ausweichen auf diese Übermittlungswege innerhalb der Frist, verpflichte den Anwalt aber nicht zur Ersatzeinreichung.
Grundsätzlich dürfen den Karlsruher Richterinnen und Richtern zufolge die Risiken einer Übermittlungstechnik nicht auf den Nutzer abgewälzt werden. Anhand der BGH-Rechtsprechung zur Übermittlung per Fax leiteten sie her, dass der Anwalt sich deshalb darauf einrichten dürfe, seinen Schriftsatz per beA versenden zu können. Scheitere er damit, könne er auf andere Übermittlungswege ausweichen. Das OLG lehnte es aber ab, den Anwalt dazu zu verpflichten, ständig einen zweiten Versandweg bereitzuhalten. Zumutbar sei nur, auf einen Weg auszuweichen, der einen geringen zusätzlichen Zeitaufwand benötige.