Familiengerichte unzuständig für Überprüfung von Corona-Schutzmaßnahmen an Schulen
Lorem Ipsum
© Halfpoint / stock.adobe.com

Familiengerichte sind nicht für die Überprüfung von Corona-Schutzmaßnahmen an Schulen zuständig. Das stellt das Oberlandesgericht Jena in Bezug auf eine umstrittene Entscheidung des Amtsgerichts Weimar klar. Dieses hatte auf den Eilantrag von Eltern Schulen unter anderem die Anordnung einer Maskenpflicht untersagt und dies mit einer Gefährdung des Kindeswohls begründet. Gegen den Eilbeschluss hatte der Freistaat Thüringen sofortige Beschwerde eingelegt, der das OLG jetzt stattgegeben hat.

Eltern regten Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung an

Die Eltern von zwei Kindern, die in Weimar zur Schule gehen, hatten beim Familiengericht Weimar angeregt, von Amts wegen zu deren Schutz ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung einzuleiten. Die Eltern führten an, das körperliche, seelische und geistige Wohl ihrer und aller weiteren Kinder, die die gleichen Schulen wie ihre Söhne besuchen, sei aufgrund der Anordnungen zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes und zur Wahrung räumlicher Distanz gefährdet. Deshalb hatten sie eine Rechtmäßigkeitsüberprüfung der den Anordnungen zugrunde liegenden Vorschriften angeregt. Dabei ging es insbesondere um die Dritte Verordnung über außerordentliche Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2, gültig ab 15.12.2020, zuletzt geändert am 12.03.2021.

Familiengericht untersagte Schulen Anordnung von Schutzmaßnahmen

In dem daraufhin eingeleiteten Eilverfahren hat das Familiengericht den Lehrern, den Schulleitungen sowie deren Vorgesetzten einstweilen untersagt, das Maskentragen, die Einhaltung von Mindestabständen und die Teilnahme an Schnelltests zur Feststellung des Virus SARS-CoV- 2 anzuordnen oder vorzuschreiben. Weiter gebot es den Leitungen und den Lehrern der von den beteiligten Kindern besuchten Schulen, den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten.

Familiengericht hielt sich für zuständig

Wie das OLG Jena mitteilt, ist das Familiengericht bei seiner Entscheidung von der eigenen Zuständigkeit ausgegangen und hat seine Anordnungen mit einer gegenwärtigen Kindeswohlgefährdung durch die von den Eltern kritisierten Maßnahmen und dem Unvermögen der Eltern, diese Gefahr von den Kindern abzuwenden, begründet.

OLG Jena hebt Beschluss auf: Rechtsweg zu ordentlichen Gerichten nicht eröffnet

Auf die sofortige Beschwerde des Freistaates Thüringen hat das OLG Jena nun den Beschluss des Familiengerichts Weimar aufgehoben, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren eingestellt.

Familiengericht hatte keine Regelungskompetenz

Zur Begründung führt das OLG aus, dass das AG vor einer Sachentscheidung gehalten gewesen wäre, vorab über seine Zuständigkeit zu entscheiden. Für das mit der Anregung der Eltern verfolgte Ziel, zum Schutz der Kinder schulinterne Maßnahmen, wie die Anordnung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und die Abstandsregeln, außer Kraft zu setzen und die Rechtmäßigkeit der diesen Anordnungen zugrunde liegenden Vorschriften zu überprüfen, fehle es an einer Regelungskompetenz des Familiengerichtes.

Allein Verwaltungsgerichte zuständig

Im Rahmen des schulrechtlichen Sonderstatusverhältnisses seien die zuständigen Behörden an die das Kindeswohl schützenden Grundrechte gebunden. Die gerichtliche Kontrolle dieses Behördenhandelns – auch hinsichtlich von Gesundheitsschutzmaßnahmen in den jeweiligen Schulen – obliege allein den Verwaltungsgerichten.

Behörden keine "Dritte" im Sinne des § 1666 Abs. 4 BGB

Eine Befugnis des Familiengerichts zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber Behörden beziehungsweise Beamten dieser Behörden folge insbesondere nicht aus § 1666 Abs. 4 BGB. Behörden, Regierungen und sonstige Träger staatlicher Gewalt seien nämlich keine "Dritte" im Sinne der Vorschrift, gegen die in Angelegenheiten der Personensorge Maßnahmen getroffen werden könnten.

Rechtsbeschwerde zum BGH wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen

Da eine Verweisung des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens an das VG nicht in Betracht kam, war die Entscheidung des Familiengerichts nach Ansicht des OLG Jena aufzuheben und das Verfahren einzustellen. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

OLG Jena, Beschluss vom 14.05.2021 - 1 UF 136/21

Redaktion beck-aktuell, 19. Mai 2021.