OLG Hamm: Scheidungsverfahren nicht gleichzeitig vor deutschem Familiengericht und libanesischem Scharia-Gericht

Ehescheidungsverfahren können nicht gleichzeitig vor einem deutschen Familiengericht und vor einem Scharia-Gericht im Libanon betrieben werden. In einem solchen Fall besteht das Verfahrenshindernis der doppelten Rechtshängigkeit. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 06.01.2017 entschieden (Az.: 3 UF 106/16).

Sachverhalt

Die am Verfahren beteiligten Eheleute, der 28 Jahre alte Ehemann und die 24 Jahre alte Ehefrau, stammen aus dem Libanon. Im Oktober 2009 schlossen sie die Ehe vor einem sunnitischen Scharia-Gericht im Libanon. Anschließend lebten die Eheleute in Deutschland. Nach der Geburt einer Tochter im November 2013 trennten sie sich im Juli 2014. Im April 2015 beantragte die Ehefrau die Ehescheidung wegen nachgewiesenen Verschuldens des Ehemanns ("al tafreeq") und die Leistung einer Abendgabe beim zuständigen libanesischen Scharia-Gericht. Im September 2015 stellte sie dann einen Scheidungsantrag beim deutschen Familiengericht. Mit Zustellung des Antrags an den Ehemann im Dezember 2015 wurde ein deutsches Scheidungsverfahren rechtshängig.

Ehemann wollte nicht geschieden werden

Im deutschen Verfahren hat der Ehemann die Zurückweisung des Scheidungsantrags beantragt, weil er nicht geschieden werden wolle und im Libanon zu Unrecht auf Zahlung einer Abendgabe verklagt worden sei. Nachdem die Ehefrau bei ihrer Anhörung durch das Familiengericht im Mai 2016 angegeben hatte, im Libanon laufe noch ein Verfahren auf ʺTrennung und Zahlung der Brautgabeʺ, hat das Familiengericht die beantragte Scheidung ausgesprochen und die Durchführung des Versorgungsausgleichs angeordnet. Der Ehemann legte Beschwerde ein.

OLG: Doppelte Rechtshängigkeit stellt Verfahrenshindernis dar

Das Oberlandesgericht hat den erstinstanzlichen Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen. Dem deutschen Ehescheidungsverfahren stehe ein Verfahrenshindernis entgegen, das den angefochtenen Beschluss unzulässig mache. Die Ehefrau sei bei Abschluss der mündlichen Verhandlung vor dem deutschen Familiengericht aus prozessualen Gründen daran gehindert gewesen, einen zulässigen und wirksamen Scheidungsantrag zu stellen. Zwar sei das deutsche Familiengericht und ihm folgend der Senat für Scheidungsverfahren wie das vorliegende grundsätzlich international zuständig und auch befugt, eine nach dem Scharia-Recht im Libanon geschlossene Ehe zu scheiden.

Scheidung in Deutschland erst nach Abschluss des libanesischen Verfahrens

Hieran seien das Familiengericht und der Senat indes im vorliegenden Fall aufgrund des parallelen, von der Ehefrau im Libanon vor dem Scharia-Gericht anhängig und rechtshängig gemachten Ehescheidungs- und Morgengabeverfahrens gehindert. Die Überprüfung der zu diesem Verfahren vorgelegten Urkunden habe ergeben, dass die Ehefrau in dem Verfahren ebenfalls die Scheidung begehre und das Scheidungsverfahren vor dem Scharia-Gericht früher durch Zustellung des Antrags an den Ehemann rechtshängig geworden sei als das deutsche Scheidungsverfahren. Dem deutschen Ehescheidungsverfahren stehe deswegen der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit entgegen. Es sei auszusetzen und könne erst nach dem Abschluss des Ehescheidungs- und Morgengabeverfahrens im Libanon fortgesetzt werden.

OLG Hamm, Beschluss vom 06.01.2017 - 3 UF 106/16

Redaktion beck-aktuell, 31. Januar 2017.

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