OLG Hamm: Konkludent abgeschlossener Grundversorgungsvertrag ersetzt vom Energielieferanten gekündigten Sondervertrag

Das Oberlandesgericht Hamm hat den von der Vorinstanz ausgeurteilten Zahlungsanspruch einer Energielieferantin, die ihrem Kunden einen Gassondervertrag gekündigt hatte, aus einem daraufhin konkludent abgeschlossenen Grundversorgungsvertrag bestätigt. Ferner bestätigte es in Anwendung der "Dreijahreslösung"-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Restforderung aus einem langfristigen Stromlieferungsvertrag (Urteil vom 07.12.2017, Az.: 2 U 99/14). Gegen die Entscheidung ist beim BGH unter dem Aktenzeichen VIII ZR 16/18 die Revision anhängig.

Energielieferantin machte Forderungen aus Strom- und Gaslieferungen geltend

Die Klägerin lieferte dem Beklagten in den Jahren 2008 bis 2013 Strom und Gas für sein privates Wohnhaus. Sie rechnete die Energielieferungen jährlich ab. Mit Schreiben vom 30.08.2007 hatte der Beklagte ihr mitgeteilt, dass er die Preise für Strom und Gas für unbillig erachte. In der Folgezeit leistete er keine weiteren Zahlungen mehr. Ein Sondervertragsverhältnis der Parteien über Gaslieferungen kündigte die Klägerin zum 30.11.2007 mit dem Hinweis, dem Beklagten weiter Gas zu den Bedingungen der Grundversorgung zu liefern. Das gesamte Vertragsverhältnis der Parteien endete im Sommer 2013, als der Beklagte zu einem anderen Energieanbieter wechselte. Die Klägerin forderte für unbezahlte Gas- und Stromlieferungen vom Beklagten etwa 27.700 Euro. Das Landgericht sprach ihr nach Abzug einer Gegenforderung des Beklagten circa 26.700 Euro zu.

OLG: Gaslieferungen zu Recht nach Grundversorgungstarif abgerechnet

Das OLG als Berufungsinstanz hat das LG-Urteil bestätigt. Die in der Zeit von Juni 2008 bis Juli 2013 vom Beklagten bezogenen Gaslieferungen habe die Klägerin zu Recht nach einem Grundversorgungstarif abgerechnet. Den in den Jahren zuvor mit dem Beklagten bestehenden Sonderkundenvertrag habe die Klägerin zum 30.11.2007 wirksam gekündigt. Insoweit komme es nicht darauf an, ob in den Vertrag - wie der Beklagte behaupte - keine allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin einbezogen gewesen seien, die ihr das Recht zur ordentlichen Kündigung zugestanden hätten.

Frist für jedenfalls geltendes ordentliches Kündigungsrecht eingehalten  

Laut OLG war der Gaslieferungsvertrag als unbefristetes Dauerschuldverhältnis auch ohne vertragliche Regelung ordentlich kündbar, da die Parteien das ordentliche Kündigungsrecht nicht vertraglich ausgeschlossen hätten. Im Hinblick auf die langjährige Vertragsdauer habe dann eine Kündigungsfrist von sechs Monaten gegolten, die aber ausgehend von der zum 30.11.2007 ausgesprochenen Kündigung vor Beginn des Abrechnungszeitraums im Juni 2008 abgelaufen gewesen sei.

Konkludenter Abschluss eines Grundversorgungsvertrags

In der Folgezeit sei zwischen den Parteien ein Grundversorgungsvertrag zustande gekommen, so das OLG weiter. Die Klägerin habe den Beklagten in dem Kündigungsschreiben darauf hingewiesen, dass, sollte der Beklagte nichts unternehmen, die weitere Gaslieferung nahtlos zu den Bedingungen der Grundversorgung erfolge. Dadurch, dass der Beklagte nach der Beendigung des bisherigen Versorgungsvertrags weiterhin Gas bezogen habe, habe er - so die auf den Fall anzuwendende höchstrichterliche Rechtsprechung - das Angebot der Klägerin konkludent angenommen. Der zu Beginn dieses neuen Vertrages geltende Preis sei damit zum vereinbarten Ausgangspreis geworden. Aufgrund dieses Preises könne die Klägerin für ihre Lieferungen im Abrechnungszeitraum etwa 19.000 Euro verlangen.

Strompreis nicht innerhalb von drei Jahren widersprochen

Für die in der Zeit von Juni 2008 bis Juli 2013 vom Beklagten bezogenen Stromlieferungen kann die Klägerin dem OLG zufolge nach Abzug der Gegenforderung des Beklagten circa 7.700 Euro beanspruchen. In Bezug auf den Strom habe zwischen den Parteien seit dem Jahre 2000 ein Sondervertragsverhältnis bestanden. In diesem dürfe die Klägerin ihre Leistungen mit ihrem Preis per 01.01.2004 abrechnen, den sie in der Jahresabrechnung vom 07.07.2004 ausgewiesen habe. Diese Jahresabrechnung habe der Beklagte vor dem 30.08.2004 erhalten. Den Preis habe er dann auch in der Folgezeit bis zu seinem Preiswiderspruch mit Schreiben vom 30.08.2007 vorbehaltlos bezahlt. Der Preis sei damit maßgeblich, weil der Beklagte ihm nicht innerhalb von drei Jahren widersprochen habe. Unerheblich sei insoweit, ob ihm ein wirksames Preiserhöhungsverlangen der Klägerin vorausgegangen sei.

Dreijahresfrist gilt sowohl im Grundversorgungs- als auch im Sondervertragsverhältnis

Das OLG weist auf die höchstrichterliche Rechtsprechung hin, wonach ein Kunde sowohl im Grundversorgungsverhältnis als auch im Sondervertragsverhältnis die vermeintliche Unwirksamkeit einer Preiserhöhung nicht mehr geltend machen könne, wenn er die Preiserhöhung nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden sei, beanstande. Der danach maßgebliche Preis trete endgültig an die Stelle des Anfangspreises und sei dementsprechend rechtlich wie ein zwischen den Parteien vereinbarter Preis zu behandeln, der auch keiner Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterliege.

Dreijahresfrist auch bei unwirksamem formularmäßigem Preisanpassungsrecht in langfristigen Energielieferungsverträgen

Die Dreijahresfrist-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs finde auch in solchen Fällen Anwendung, in denen die Parteien ein vertragstypisches formularmäßiges Preisanpassungsrecht des Energielieferers nicht wirksam vertraglich vereinbart hätten. Es bestehe bei langfristigen Vertragsverhältnissen generell ein anerkennenswertes Bedürfnis der Parteien, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten. Diesem Bedürfnis liefe es zuwider, wenn die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen bei einem Energieliefervertrag mit langer Laufzeit rückwirkend ohne zeitliche Begrenzung geltend gemacht werden könne.

OLG Hamm, Urteil vom 07.12.2017 - 2 U 99/14

Redaktion beck-aktuell, 5. Februar 2018.

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