Rede zu Ehren einer Holocaust-Leugnerin
Der Angeklagte nahm am 10.11.2018 in Bielefeld an einer von Mitgliedern der Partei "Die Rechte" aus Dortmund angemeldeten Veranstaltung teil, die zum 90. Geburtstag einer bekannten und mehrfach verurteilten Holocaust-Leugnerin, mit der der Angeklagte befreundet ist, stattfand. Auf der Veranstaltung hielt er eine etwa neunminütige Rede, die noch heute bei "youtube" abrufbar ist. In dieser Rede äußerte er unter anderem: "Die Juden haben Christus verworfen, haben ihn kreuzigen lassen, sie haben sein Opfer für sich in Anspruch genommen und brauchten einen anderen Mythos. Den haben sie geschaffen und der findet auch seinen Niederschlag in § 130 Strafgesetzbuch."
Verurteilung wegen Holocaust-Leugnung
Wegen dieser Äußerung verurteilte das Amtsgericht Bielefeld den Angeklagten am 20.08.2019 zu einer Geldstrafe von 900 Euro (Az.: 811 Cs 189/19). Dieses Urteil bestätigte das Landgericht Bielefeld am 05.10.2020 (Az.: 05 Ns 68/19). Durch die Äußerung, so das LG, habe der Angeklagte den Holocaust als Erfindung der Juden dargestellt, wobei ihm bewusst gewesen sei, dass dies insbesondere von Teilnehmern der Veranstaltung auch entsprechend verstanden werden würde. Gegen dieses Urteil hat sich der Angeklagte mit seiner Revision gewandt. Die ihm vorgeworfene Äußerung sei zumindest mehrdeutig. Die Vorinstanz habe sich nicht ausreichend mit anderweitigen Auslegungsmöglichkeiten auseinandergesetzt.
Günstigere Auslegungsmöglichkeit ausgeschlossen
Die Revision hatte keinen Erfolg. Die Äußerung des Angeklagten könne nicht im Sinn einer religiösen Meinungsäußerung gedeutet werden, entschied das OLG Hamm. Auf die Mehrdeutigkeit einer Äußerung komme es nicht an, wenn andere – für den Angeklagten günstigere – Auslegungsmöglichkeiten den Umständen nach ausgeschlossen seien. So liege der Fall hier. Schon der Wortlaut der Äußerung sei als Leugnung des Holocaust zu werten. Der Angeklagte habe das angebliche "Schaffen eines Mythos durch die Juden" in Bezug zu § 130 StGB gesetzt, der seinerseits das Leugnen des Holocaust unter Strafe stelle. Bereits deshalb könne und dürfe ein Zuhörer die Äußerung dahingehend verstehen, beim Holocaust handele es sich um eine Erfindung der Juden.
Auch Anlass der Äußerung und Adressaten zu berücksichtigen
Ebenso zutreffend habe das LG dem sprachlichen Kontext der Äußerung und den Begleitumständen keine andere Bedeutung als die eines Leugnens des nationalsozialistischen Völkermordes an den europäischen Juden beimessen können. Eine theologische Aussage der Rede und Äußerung sei auszuschließen, so das OLG weiter. Nachdem der Angeklagte im Übrigen selbst dem politisch rechtsextremen Spektrum angehöre, die Äußerung auf einer Solidaritätsveranstaltung für eine bekannte und mehrfach verurteilte Holocaust-Leugnerin gefallen, die Veranstaltung in erster Linie von Sympathiekundgebungen für die vorerwähnte Person geprägt gewesen sei und die Teilnehmer überwiegend dem politisch rechtsextremen Spektrum angehört hätten, könne und dürfe unter dem Maßstab eines objektiven Empfängerhorizonts sicher auszuschließen sein, dass es dem Angeklagten mit seiner Äußerung um etwas anderes als eine Leugnung des Holocaust gegangen sei.
Meinungsfreiheit greift nicht
Danach schränke die Verurteilung den Angeklagten weder in seiner Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz noch in seiner Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz in unzulässiger Weise ein. Im Übrigen entspreche es auch internationalem Recht, dass die Darbietung von Hass, Antisemitismus und Leugnung des Holocaust nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.