"Hausverbot" für Lebensgefährten im Testament ist sittenwidrig

Eine Bedingung in einem Testament, nach der die Tochter das Haus nur dann erbt, wenn ihr Lebensgefährte es nicht mehr betritt, ist nichtig. Das hat das Oberlandesgericht Hamm klargestellt. Die nur bedingte Zuwendung übe im konkreten Fall, in dem die Parteien bis zum Erbfall familiär zusammenlebten, einen unzumutbaren Druck auf die Bedachte aus, sich in einem höchstpersönlichen Bereich auf einer bestimmte Art und Weise zu verhalten.

In dem vom OLG mitgeteilten Fall erbte die Klägerin als einzige Tochter ihrer verstorbenen Mutter ein Hausgrundstück mit einem freistehenden Einfamilienhaus in Bochum, in dem die Mutter bis zu ihrem Tod in einer und die Tochter mit der Enkelin in einer weiteren Wohnung lebten. Die Enkelin wurde als Miterbin eingesetzt. Der langjährige Lebensgefährte der Tochter hatte eine eigene Wohnung in der Nachbarschaft, ging aber in dem Haus ein und aus, war der Ziehvater der Enkelin und nahm im Haus auch Reparaturen vor. Es gab zu keiner Zeit Streit oder ein Zerwürfnis und man lebte wie eine Familie zusammen.

Das notarielle Testament, das Tochter und Enkelin als Erbinnen einsetzte, enthielt zwei Bedingungen. Zum einen war es den Erbinnen untersagt, das Grundstück an den Lebensgefährten der Tochter zu übertragen. Zum anderen sollten die Erbinnen dem Lebensgefährten auf Dauer untersagen, das Grundstück zu betreten. Zur Überwachung des Betretungsverbots wurde der Beklagte als Testamentsvollstrecker eingesetzt. Er sollte die Immobilie bei einem Verstoß gegen die Bedingung veräußern, wobei der Erlös zu ¼ der Tochter, zu ¼ der Enkelin und im Übrigen gemeinnützigen Zwecken zukommen sollte.

Unzumutbarer Druck auf Erbinnen ein Indiz für Sittenwidrigkeit

Die beiden Erbinnen verlangten vor dem LG Bochum die Feststellung, dass die Bedingung des Betretungsverbots nichtig sei, weil sie dieses für sittenwidrig hielten. Das Verbot, das Grundstück an den Lebensgefährten zu übertragen, akzeptierten sie. Das LG gab der Klage statt und erklärte das Betretungsverbot wegen Sittenwidrigkeit für ungültig. Hiergegen wandte sich der Beklagte mit seiner Berufung an das OLG Hamm.

Bei der Frage, ob eine testamentarische Bedingung wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist, ist laut OLG zu beachten, dass die vom Grundgesetz geschützte Testierfreiheit es einem Erblasser grundsätzlich ermöglicht, die Erbfolge nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten und er dabei einen sehr großen Gestaltungsspielraum hat. Sittenwidrigkeit könne daher nur in sehr engen Ausnahmefällen angenommen werden.

Dies gilt dem Zehnten Zivilsenat zufolge auch für Bedingungen. Ein schwerwiegender Ausnahmefall, der zur Sittenwidrigkeit einer Bedingung führen kann, ist danach immer nur dann anzunehmen, wenn in der Abwägung zwischen der Testierfreiheit der Erblasserin und den Freiheitsrechten der Betroffenen anzunehmen ist, dass die nur bedingte Zuwendung einen unzumutbaren Druck auf die Bedachten ausübt, sich in einem höchstpersönlichen Bereich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. Bedingungen, die dagegen lediglich die Nutzung des vererbten Vermögensgegenstandes betreffen, seien dagegen regelmäßig zulässig, so das OLG.

Hausverbot tangiert höchstpersönlichen Lebensbereich

Im konkreten Fall weise zwar die angefochtene Bedingung einen Bezug zur Nutzung des vererbten Hausgrundstücks auf. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles stehe hier jedoch im Vordergrund, dass dem langjährigen Lebensgefährten der Tochter, zugleich Ziehvater der Enkelin, der Zugang zu der schon vor dem Erbfall genutzten Wohnung auf einmal verwehrt sein soll, so das OLG. Das bis zum Tod der Erblasserin unstreitig praktizierte familiäre Zusammenleben könnte aufgrund der Bedingung nicht mehr in dieser Form fortgeführt werden.

Damit sei der höchstpersönliche Bereich der Lebensführung der Tochter betroffen und die Bedingung sittenwidrig und nichtig. Für die Rechtsfolge sei weiter davon auszugehen, dass die Erblasserin ihre Tochter und ihre Enkelin auch ohne die unwirksame Bedingung zur Erbinnen eingesetzt hätte, so dass die Sittenwidrigkeit nur dazu führe, dass die Bedingung entfällt.

Da der Senat damit die rechtliche Einschätzung der Vorinstanz zur Sittenwidrigkeit teilte, nahm der Beklagte seine Berufung zurück, so dass das Urteil des LG Bochum rechtskräftig wurde (Az.: 10 U 58/21).

OLG Hamm, Urteil vom 19.07.2023 - 10 U 58/21

Redaktion beck-aktuell, Gitta Kharraz, 20. Juli 2023.