OLG Hamm: Grundstückseigentümer haftet für Versäumnisse seines Bauunternehmers bei Schutz einer Grenzwand zu Nachbarn

Lässt ein Grundstückseigentümer ein Gebäude abreißen und wird dadurch eine gemeinsame Grenzwand zum Grundstücksnachbarn der Witterung ausgesetzt, muss diese Grenzwand geschützt werden. Versäumt dies der vom Eigentümer beauftragte Bauunternehmer, kann der Eigentümer dem Nachbarn zum Schadenersatz verpflichtet sein und nach § 278 BGB für ein Verschulden des Bauunternehmers einzustehen haben. Das hat das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 03.07.2017 entschieden (Az.: 5 U 104/16, BeckRS 2017, 126643, nicht rechtskräftig).

Nachbar beklagte Schimmelbildung

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Ursprünglich waren ihre Grundstücke mit aneinander grenzenden Doppelhaushälften bebaut, die durch eine gemeinsame Giebelwand voneinander getrennt waren. Nach Erwerb ihres Grundstücks ließen die Beklagten ihre Doppelhaushälfte durch einen Bauunternehmer abreißen und neu errichten. Im Zuge der Baumaßnahme wurde die gemeinsame Grenzwand freigelegt und war Witterungseinflüssen ausgesetzt. Infolge eindringender Feuchtigkeit kam es – so festgestellt von einem Sachverständigen im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens – zur Schimmelbildung im Haus des Klägers, der seinen hierdurch erlittenen Schaden auf insgesamt circa 10.500 Euro beziffert und von den Beklagten ersetzt verlangt. Die Beklagten haben den Kläger an den beauftragten Bauunternehmer verwiesen, von dem der Kläger aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Insolvenz allerdings keinen Schadenersatz erlangen konnte.

LG hielt Schuldrecht für nicht anwendbar und wies Klage ab

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen und dabei unter anderem angenommen, dass auf das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis der Parteien die Vorschriften des Schuldrechts nicht anzuwenden seien, sodass die Beklagten für ein Verschulden des Bauunternehmers nicht einzustehen hätten. Nach deliktsrechtlichen Vorschriften hafteten sie ebenfalls nicht, weil sie selbst nicht schuldhaft gehandelt hätten und der Bauunternehmer nicht ihr Verrichtungsgehilfe gewesen sei.

OLG bejaht Erfüllungsgehilfenhaftung und spricht Schadensersatz zu

Die gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Berufung des Klägers war erfolgreich. Das OLG Hamm hat dem Kläger den geltend gemachten Schadenersatzanspruch zugesprochen. Anders als das LG hat es entschieden, dass die Beklagten für die vom Bauunternehmer pflichtwidrig unterlassenen Abdichtungsmaßnahmen einzustehen haben. Das folge aus den im vorliegenden Fall anzuwendenden schuldrechtlichen Vorschriften einer Erfüllungsgehilfenhaftung.

Schuldrecht zwar unter Nachbarn grundsätzlich nicht anwendbar

Zwar fehle im Verhältnis von Grundstücksnachbarn regelmäßig das für ein gesetzliches Schuldverhältnis typische Geflecht wechselseitiger Duldungs-, Mitwirkungs- und Leistungspflichten. Die zwischen Grundstücksnachbarn geltenden nachbarrechtlichen Vorschriften konkretisierten im Wesentlichen die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Sie seien aber grundsätzlich keine Grundlage für die ein Schuldverhältnis kennzeichnenden Rechte und Pflichten.

Bei gemeinschaftlicher Grenzeinrichtung Schuldrecht jedoch anwendbar

Anders liege der Fall aber dann, wenn sich eine Pflichtverletzung auf eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung beziehe. Eine solche Grenzeinrichtung stelle im vorliegenden Fall die gemeinsame Giebelwand dar. Sie sei dazu bestimmt, von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden. Das durch sie zwischen den Nachbarn begründete Rechtsverhältnis sei gesetzlich besonders geregelt. Eine derartige Wand stehe je zur Hälfte im Miteigentum der beiden Nachbarn. Deswegen liege jedenfalls in Bezug auf die gemeinschaftliche Grenzeinrichtung ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Nachbarn vor, auf welches die schuldrechtlichen Vorschriften der Erfüllungsgehilfenhaftung anzuwenden seien.

Insolvenzrisiko des Bauunternehmers von beauftragendem Nachbarn zu tragen

Daraus folge, dass ein Geschädigter auch von seinem Grundstücksnachbar wegen eines schuldhaften Verhaltens des vom Nachbarn beauftragten Unternehmers Schadenersatz verlangen könne. Das Verhalten des Unternehmers sei dem Grundstücksnachbar zuzurechnen. Der Nachbar könne den Geschädigten nicht auf die Schadloshaltung bei der Hilfsperson verweisen. Der den Bauunternehmer beauftragende Grundstücksnachbar und nicht der Geschädigte trage deswegen ein Insolvenzrisiko des Bauunternehmers.

Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen

Das OLG Hamm hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Die Frage, ob die schuldrechtlichen Vorschriften auf nachbarliche Beziehungen in Bezug auf eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung anzuwenden seien, sei höchstrichterlich noch nicht geklärt und habe grundsätzliche Bedeutung.

OLG Hamm, Urteil vom 03.07.2017 - 5 U 104/16

Redaktion beck-aktuell, 12. Oktober 2017.

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