OLG Hamm: Fehlende Neuwageneigenschaft eines Ferrari LaFerrari berechtigt zum Rücktritt

Wird in der Auftragsbestätigung zu einem Pkw-Kauf als Erstzulassung "Neu/Tageszulassung" und als Kilometerstand "Werkskilometer" festgehalten, so darf der Käufer davon ausgehen, dass der Wagen bis dahin nur auf einen Handelsbetrieb zugelassen war und die Zulassungsdauer bei maximal 30 Tagen lag. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 18.05.2017 klargestellt. Eine Dortmunder Firma, die mit hochwertigen Fahrzeugen handelt, muss im entschiedenen Fall einer Prager Handelsfirma eine Anzahlung in Höhe von 40.000 Euro für einen Ferrari LaFerrari erstatten, weil sie den Ferrari zu den vereinbarten Konditionen nicht liefern konnte und die Prager Firma deswegen wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist (Az.: 28 U 134/16).

Modell wurde nur in kleiner Serie produziert

Die beklagte Dortmunder Autohändlerin bot im Frühjahr 2015 über das Internet einen Ferrari LaFerrari zum Verkauf an. Dieses Ferrari-Modell war im März 2013 auf dem Genfer Autosalon vorgestellt worden. Die in einer kleinen Serie produzierten 499 Exemplare des Modells waren seinerzeit sofort ausverkauft. Die Klägerin, eine Handelsfirma aus Prag, war am Kauf des Ferrari interessiert und nahm mit der Beklagten Kontakt auf. Im März 2015 vereinbarten die Parteien den Verkauf des Ferrari LaFerrari für 1.950.000 Euro und hielten in der Auftragsbestätigung als Erstzulassung "Neu/Tageszulassung" und als Kilometerstand "Werkskilometer" fest. Vereinbarungsgemäß leistete die Klägerin sodann eine Anzahlung in Höhe von 40.000 Euro an die Beklagte.

Laufleistung von 1.412 Kilometern moniert

Mitte April 2015 trafen sich die Parteien zur Fahrzeugübergabe, die auf Betreiben der Beklagten in Nürnberg stattfinden sollte. Dort führte die Beklagte der Klägerin einen Ferrari LaFerrari vor, der im April 2014 erstmals zum Straßenverkehr zugelassen worden war und seitdem als Leasingfahrzeug genutzt wurde. Er hatte eine Laufleistung von 1.412 Kilometern. Da die Klägerin beanstandete, dass das Fahrzeug nicht den vereinbarten Bedingungen entspreche, verhandelten die Parteien über einen Preisnachlass. Nach Darstellung der Beklagten einigte man sich vor Ort auf einen Nachlass von 25.000 Euro. Einen kurz darauf von der Klägerin verlangten Nachlass von 100.000 Euro lehnte die Beklagte ab. Nachdem sich die Parteien in der Folgezeit nicht einigen konnten, erklärte die Klägerin unter anderem den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte die Erstattung der geleisteten Anzahlung. Mit diesem Begehren nimmt sie die Beklagte gerichtlich in Anspruch.

Zu Recht vom abgeschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten

Das Rückzahlungsbegehren der Klägerin war vor dem OLG erfolgreich. Nach Auffassung der Richter ist die Klägerin zu Recht vom abgeschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten, so dass die Beklagte die Anzahlung zurückzuzahlen hat. Nach dem abgeschlossenen Kaufvertrag habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, dass ihr die Beklagte einen Ferrari mit den in der Auftragsbestätigung vereinbarten Beschaffenheitsmerkmalen zum Erwerb vermitteln würde, so der Senat. Dabei habe es sich zwar nicht um ein Fahrzeug handeln können, welches Ferrari kurz zuvor neu produziert habe. Denn solche Fahrzeuge des verkauften Typs seien am Markt nicht mehr erhältlich gewesen und hätten von der Beklagten ohnehin nicht vertrieben werden können, weil sie keine offizielle Ferrari-Händlerin sei. Dennoch habe die Klägerin davon ausgehen können, dass der zu liefernde Ferrari aufgrund der Angabe "Tageszulassung" bis dahin nur auf einen Handelsbetrieb zugelassen gewesen sei und die Zulassungsdauer bei maximal 30 Tagen gelegen habe.

Gericht verweist auf Angabe "Werkskilometer"

Fahrzeuge mit Tageszulassungen würden nur formal auf einen Händler zugelassen, aber nicht im Straßenverkehr bewegt, so dass sie weiter als Neuwagen angesehen werden könnten. Dafür, dass die Beklagten einen derartigen Ferrari habe anbieten wollen, spreche auch die im Kaufvertrag enthaltene Angabe "Werkskilometer". Werkskilometer bezeichneten eine Fahrstrecke, die nach der Produktion eines Fahrzeugs üblicherweise auf dem Werksgelände zurückgelegt werde, um an dem Fahrzeug noch letzte Tests und Abstimmungen vorzunehmen. Allerdings könne diese Fahrstrecke auch einige 100 Kilometer betragen, ohne dass die Neuwageneigenschaft infrage gestellt werde.

Vereinbarte Beschaffenheitsmerkmale nicht erfüllt

Der von der Beklagten angebotene Ferrari sei mangelhaft gewesen, weil er die genannten, vereinbarten Beschaffenheitsmerkmale nicht aufgewiesen habe. Er sei bereits seit einem Jahr zur Nutzung im Straßenverkehr zugelassen gewesen und habe auch eine über die üblichen Werkskilometer hinausgehende Fahrstrecke im öffentlichen Straßenverkehr zurückgelegt. Deswegen habe der Kilometerzähler im April 2016 eine Laufleistung von 1.412 Kilometern ausgewiesen. Diese Abweichungen seien erheblich und berechtigten die Klägerin zum Vertragsrücktritt. Eine Einigung der Parteien auf einen – den Rücktritt der Klägerin ausschließenden – Preisnachlass in Höhe von 25.000 Euro habe die Beklagte nicht nachgewiesen. Sie sei daher verpflichtet, der Klägerin die geleistete Anzahlung zu erstatten, befand das Gericht.

OLG Hamm, Urteil vom 18.05.2017 - 28 U 134/16

Redaktion beck-aktuell, 16. Juni 2017.