Ex-Arcandor-Aufsichtsräte zu 53,6 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt

Sechs frühere Mitglieder des Aufsichtsrats des 2009 insolvent gegangenen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor müssen an den Insolvenzverwalter der AG insgesamt rund 53,6 Millionen Euro Schadenersatz zahlen. Das Oberlandesgericht Hamm hat den Vorwurf, die Aufsichtsratsmitglieder hätten Schadenersatzansprüche gegen frühere Vorstände nicht fristgerecht geltend gemacht, bestätigt. Ansprüche des Insolvenzverwalters gegen ehemalige Arcandor-Vorstandsmitglieder, darunter auch Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff, verneinte das OLG hingegen.

Vorwurf: Pflichtverletzungen bei Verkauf und Wiederanmietung von Warenhäusern

In dem vom Insolvenzverwalter der Arcandor AG geführten Verfahren ging es um Schadenersatzansprüche gegen insgesamt elf frühere Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder im Zusammenhang mit der Veräußerung und der Anmietung von fünf Warenhaus-Immobilien im Umfang von circa 175 Millionen Euro. Der Insolvenzverwalter stützt seine Forderung auf vermeintliche Pflichtverletzungen der Beklagten in Zusammenhang mit dem Verkauf und der sich anschließenden Rückanmietung der Warenhäuser, beruhend auf den sogenannten Oppenheim/Esch-Verträgen der Arcandor AG. Die Häuser sollen deutlich unter Marktwert an einen Fonds verkauft und zu überhöhten Konditionen wieder angemietet worden sein.

Insolvenzverwalter erstinstanzlich zum Teil erfolgreich

Das Landgericht Essen hatte die Klage dem Grunde nach gegen vier Vorstandsmitglieder für gerechtfertigt angesehen, soweit sich die Klageforderung auf die Durchführung der Verträge für ein Warenhaus in Wiesbaden bezieht. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hiergegen legten der klagende Insolvenzverwalter der Arcandor AG, die in erster Instanz verurteilten Beklagten und der bereits in erster Instanz als Streithelfer der Beklagten auftretende D&O-Versicherer Berufungen ein.

Aufsichtsratsmitglieder hätten Vorstandsmitglieder überwachen müssen

Das OLG hält Ansprüche des Insolvenzverwalters gegen sechs frühere Aufsichtsratsmitglieder in Höhe von bis zu circa 53,6 Millionen Euro für begründet. Zum Pflichtenkreis der verurteilten Aufsichtsratsmitglieder habe die Überwachung der Vorstandsmitglieder gehört, begründet das OLG seine Entscheidung. Diese Pflicht hätten sie im Hinblick auf die mit der Oppenheim/Esch-Gruppe geschlossenen Ausgangsverträge verletzt. Denn jedenfalls soweit der Aufsichtsrat im November 2006 empfohlen habe, von der Geltendmachung entsprechender Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder weiterhin abzusehen, obwohl am 04.12.2006 Verjährungseintritt drohte, hätten diese Beklagten ihre Aufsichtspflichten verletzt. Nach dem Ergebnis der vom OLG durchgeführten Beweisaufnahme sei dadurch ein Schaden in Höhe von 53.625.150,18 Euro entstanden.

OLG verneint Pflichtverletzungen durch Vorstandsmitglieder

Die gegen Vorstandsmitglieder, unter anderem den früheren Vorstandsvorsitzenden Middelhoff, für den sein Insolvenzverwalter den Rechtsstreit führt, gerichteten Ansprüche hält das OLG Hamm hingegen für unbegründet. Es seien keine Pflichtverletzungen der Vorstandsmitglieder festzustellen. Insbesondere seien die von den Vorstandsmitgliedern zu verantwortenden Vertragsabschlüsse aufgrund anderer bereits bestehender vertraglicher Verpflichtungen nicht pflichtwidrig gewesen. Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof gegen sein Urteil vom 24.11.2021 (Az.: I-8 U 73/12) nicht zugelassen. Die Parteien können daher nur noch Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof erheben.

Britta Weichlein, Redaktion beck-aktuell, 7. April 2022.