Erstattung der Kosten einer Klassenfahrt wegen Corona-Pandemie

Wurde eine Klassenfahrt wegen Corona storniert, kann der volle Reisepreis zurückverlangt werden. Mit der Pandemie habe eine erhebliche Beeinträchtigung nach § 651h Abs. 3 BGB vorgelegen, so das Oberlandesgericht Hamm in Bezug auf eine Klassenfahrt nach Liverpool, die ab dem 15.03.2020 hatte stattfinden sollen. in Liverpool sei das Ansteckungsrisiko damals deutlich erhöht gewesen. Dass das Auswärtige Amt erst später eine Reisewarnung ausgesprochen hatte, ändere daran nichts.

Gebuchte Klassenfahrt nach Liverpool abgesagt

Die klagende Stiftung ist die Trägerin einer Schule in Niedersachsen. Anfang 2020 buchte eine an dieser Schule beschäftigte Lehrerin bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Klassenfahrt nach Liverpool vom 15.03.2020 bis zum 21.03.2020. Den in Rechnung gestellten Reisepreis von fast 10.000 Euro zahlte die klagende Stiftung. Am 12.03.2020 stornierte die Lehrkraft die Reise. Die Reiseveranstalterin erstattete allerdings nur einen Betrag von nicht ganz 1.000 Euro. Mit ihrer Klage verlangt die Stiftung von der Reiseveranstalterin auch die Rückzahlung des Restbetrages von fast 9.000 Euro, weil sie meint, dass zum Zeitpunkt der Stornierung der Reise aufgrund der in England grassierenden Coronavirus-Pandemie eine Situation vorgelegen habe, die sie nach § 651h Abs. 3 BGB zum entschädigungslosen Reiserücktritt berechtigt habe.

OLG: Buchung erfolgte im Namen der Stiftung

Das Landgericht Detmold hatte die Klage mit Urteil vom 01.02.2021 (Az.: 01 O 153/20) mit der Begründung abgewiesen, dass die Stiftung gegenüber der Reiseveranstalterin nicht selbst eine Rückzahlung des ausstehenden Betrags verlangen könne. Denn Vertragspartner der Reiseveranstalterin sei nicht die Stiftung, sondern seien die angemeldeten Schülerinnen und Schüler gewesen, die von der Lehrerin bei dem Vertragsschluss vertreten worden seien. Die Berufung der klagenden Stiftung hatte nun ganz überwiegend Erfolg. Entgegen der Auffassung des LG sagte das OLG, zwischen der Stiftung und der Reiseveranstalterin sei ein Pauschalreisevertrag über eine Gruppenreise nach Liverpool zustande gekommen. Unter anderem die Umstände der Vertragsabwicklung und der außergerichtlichen Korrespondenz sprächen dafür, dass die Buchung auch aus der Sicht der Reiseveranstalterin nicht im Namen der Schülerinnen und Schüler oder ihrer Erziehungsberechtigen, sondern im Namen der Schule beziehungsweise der hinter dieser stehenden hier klagenden Stiftung – als regelmäßig verlässlicher und solventer Vertragspartner – erfolgt sei.

Voller Reisepreis zu erstatten

Die Reiseveranstalterin müsse den vollen Reisepreis an die Stiftung zurückzahlen. Mit der COVID-19-Pandemie habe eine erhebliche Beeinträchtigung – im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB – vorgelegen. Denn es habe ein konkretes Risiko für einen ernstlichen Gesundheitsschaden bestanden, weil in Liverpool als dem Zielort der Reise das Ansteckungsrisiko deutlich erhöht gewesen sei. Das Auswärtige Amt habe zwar erst am 17.03.2020 aufgrund der Coronavirus-Pandemie eine Reisewarnung für Reisen in das gesamte Ausland ausgesprochen. Entscheidend sei aber insbesondere, dass zum Zeitpunkt der Stornierung am 12.03.2020 - nur drei Tage vor Reisebeginn - bekannt gewesen sei, dass es sich bei dem Virus SARS-CoV-2 um einen neuartigen Krankheitserreger handele, der akute Atemwegserkrankungen hervorrufe, die im schlimmsten Fall tödlich verlaufen könnten, ohne dass es eine Therapiemöglichkeit oder einen Impfstoff gegeben habe. 

Erwartung einer Reise in "sicherem Umfeld"

Darüber hinaus bestehe bei Schülerreisen die Erwartung der erziehungsberechtigten Eltern, dass die Schülerinnen und Schüler in einem sicheren Umfeld reisen könnten. Dagegen sei die Pandemielage im Reiseland England akut gewesen und die Wahrscheinlichkeit, sich auf der Reise beziehungsweise am Reiseort mit dem Coronavirus zu infizieren, deutlich höher gewesen, als wenn die Schülerinnen und Schüler - bei bereits am 12.03.2020 konkret im Raum stehenden und am Folgetag beschlossenen Schulschließungen - zu Hause geblieben wären. 

OLG Hamm, Urteil vom 30.08.2021 - 22 U 33/21

Redaktion beck-aktuell, 13. September 2021.