OLG Hamm: Ältere Schwester kann Vormund für minderjährigen Flüchtling sein

Zum Vormund für einen minderjährigen Flüchtling kann auch seine ältere Schwester, die ebenfalls Flüchtling ist, bestellt werden, sodass es keiner Bestellung eines Amtsvormundes bedarf. Das hat das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss 13.06.2017 entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts Olpe abgeändert (Az.: 4 UF 31/17, BeckRS 2017, 117086).

Weitere Familienangehörige in Libyen

Die Geschwister, heute 14 und 19 Jahre alt, stammen aus Syrien. Gemeinsam mit ihrer Familie flohen sie aus ihrer Heimat zunächst nach Libyen. Dort halten sich noch die Eltern und weitere Geschwister an einem sicheren Ort auf. Zunächst gelangte die Schwester nach Deutschland, im November 2016 dann auch ihr Bruder. Zu den Familienangehörigen in Libyen können sie nach eigenen Angaben telefonisch Kontakt halten.

AG hält ältere Schwester für ungeeignet

Mit Beschluss vom 10.01.2017 stellte das AG Olpe fest, dass die Eltern des minderjährigen Jungen die elterliche Sorge auf längere Zeit tatsächlich nicht ausüben könnten und bestellte das Jugendamt des Kreises Olpe zum Vormund des Jungen. Eine als Einzelvormund geeignete Person sei nicht vorhanden, so das Familiengericht. Die ältere Schwester des Jungen spreche kein Deutsch und nur unzureichend Englisch. Sie komme deswegen als Vormund nicht in Betracht.

OLG bestellt ältere Schwester zum Vormund

Die gegen die Auswahl des Vormunds gerichtete Beschwerde des Jungen war erfolgreich. Das OLG hat seine 19 Jahre alte Schwester anstelle des Kreisjugendamtes Olpe zum Vormund bestellt. Dabei hat es berücksichtigt, dass die Schwester ein Schreiben ihrer Eltern vorlegen konnte, nach welchem sie sich um die Angelegenheiten ihres jüngeren Bruders kümmern solle.

Verwandte vorrangig einzusetzen

Als Vormund habe das Familiengericht eine Person auszuwählen, so das OLG, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und nach ihrer Vermögenslage unter Berücksichtigung der gesamten Lebensumstände zur Übernahme des Amtes geeignet sei. Maßgeblich sei das Kindeswohl. Bei einer Auswahl unter mehreren geeigneten Personen seien neben den Neigungen des Kindes der mutmaßliche Wille der Eltern und verwandtschaftliche Beziehungen zu berücksichtigen. Verwandten komme bei der Auswahl der Vorrang gegenüber nichtverwandten Personen zu, sofern nicht im Einzelfall konkrete Erkenntnisse darüber bestünden, dass dem Wohl des Kindes durch die Auswahl einer dritten Person besser gedient sei.

OLG verweist auf Vertrauensverhältnis zwischen Geschwistern

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sei im zu entscheidenden Fall der Bestellung der älteren volljährigen Schwester des Kindes als Vormund der Vorzug zu geben. Es entspreche dem Willen der Kindeseltern und – nach der Anhörung der Beteiligten durch das OLG – auch dem Willen des Jungen, dass die Schwester die Vormundschaft übernehme. Als nahe Verwandte kenne die Schwester ihren Bruder und könne seine Interessen am besten wahrnehmen. Zwischen den Geschwistern bestehe ein Vertrauensverhältnis.

Fehlende Kenntnisse deutschen Rechtssystems rechtfertigen keine andere Bewertung

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Schwester zur Führung der Vormundschaft nicht in der Lage sei, bestünden nicht, meint das OLG. Die Schwester könne, wie sie mit dem von ihr beigebrachten Schreiben ihrer Eltern bereits gezeigt habe, auch bei bisher fehlenden Kenntnissen der deutschen Sprache und des deutschen Rechtssystems ihre Belange und diejenigen ihres jüngeren Bruders regeln. Nach ihrer Darstellung bestehe Kontakt zu den derzeit in Libyen wohnenden Kindeseltern, sodass mit diesen Rücksprachen möglich seien. Kenntnisse des deutschen Rechtssystems, die die Schwester derzeit noch nicht habe und auch nicht haben könne, könne sie mithilfe einer rechtskundigen Person, beispielsweise eines Rechtsanwalts, erlangen. Das habe sie bereits mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts für das vorliegende Verfahren gezeigt.

OLG Hamm, Beschluss vom 13.06.2017 - 4 UF 31/17

Redaktion beck-aktuell, 28. Juli 2017.

Mehr zum Thema