Deutscher kann sich nicht auf Bedingungen der Auslieferungshaft im Senegal berufen

Auslieferungshaft im Senegal führt nicht ohne Weiteres zur Unverhältnismäßigkeit des deutschen Haftbefehls. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm in einem jetzt veröffentlichten Beschluss vom 08.06.2021 klargestellt. Dies gelte auch dann, wenn die Haftbedingungen erschwert seien. Im konkreten Fall habe der Angeklagte diese jedenfalls durch seine Flucht nach Afrika selbst verursacht, heißt es in der rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts.

Verstöße gegen Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz

Der 62-jährige Angeklagte im konkreten Fall ist vor dem Amtsgericht Herford wegen 575 selbstständiger Taten von Dezember 2017 bis September 2020 mit Verstößen gegen Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz, versuchten Nötigungen, Beleidigungen, Urkundenfälschung – hierbei insbesondere durch den Versand von E-Mails an eine Vielzahl von Adressaten – angeklagt. Im Anschluss an eine von Mitte August bis Mitte Oktober 2020 wegen Verstößen gegen zwei Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz vollstreckte Ordnungshaft kam der Angeklagte für elf Tage in Untersuchungshaft. Nach einem Rechtsmittel des Angeklagten setzte das Landgericht Bielefeld den Haftbefehl gegen Zahlung einer Kaution, Abgabe des Reisepasses sowie eine Meldeauflage bei der Polizei außer Vollzug. Nach Erfüllung der ersten beiden Auflagen wurde der Angeklagte aus der Untersuchungshaft entlassen.

Seit Mitte Februar im Senegal in Auslieferungshaft

Ende 2020 beantragte der Angeklagte, ihm seinen Reisepass wieder auszuhändigen, um aus beruflichen Gründen nach Afrika zu reisen. Dieses Ansinnen veranlasste das AG Herford dazu, am 11.12.2020 einen neuen Untersuchungshaftbefehl wegen Fluchtgefahr zu erlassen. Dennoch hat sich der Angeklagte kurze Zeit später nach Afrika abgesetzt. Zur Durchsetzung des Haftbefehls des AG Herford ist ein Europäischer Haftbefehl erlassen worden, auf dessen Grundlage sich der Angeklagte seit Mitte Februar im Senegal in Auslieferungshaft befindet. Eine Auslieferung nach Deutschland ist für Juni oder Juli in Aussicht gestellt worden. Gegen den Haftbefehl des AG Herford vom 11.12.2020 wendet sich nun der Angeklagte mit seiner (weiteren) Beschwerde an das OLG, nachdem eine Beschwerde vor dem Landgericht Bielefeld zurückgewiesen worden war.

Gericht geht von Flucht aus

Diese blieb vor dem OLG erfolglos. Bei der Reise des Angeklagten nach Afrika handele es sich um eine Flucht, erläuterten die Richter. Der Angeklagte habe nicht nur gegen seine Meldeauflage verstoßen, sondern sei auch ausgereist, obwohl über seinen Antrag auf Aushändigung des Reisepasses noch nicht entschieden gewesen sei. Außerdem habe er weder der Justiz noch der Firma, für die er als freier Mitarbeiter in Afrika tätig gewesen sein soll, seinen Aufenthalt oder eine Kontaktmöglichkeit mitgeteilt. Schließlich sei er nach der Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit nicht nach Deutschland zurückgekehrt.

Angeklagter hat Situation selber schuldhaft herbeigeführt

Der Haftbefehl erscheine auch vor dem Hintergrund der Auslieferungshaft im Senegal nicht unverhältnismäßig, so das OLG weiter. Neben dem Umstand, dass die Zeit der Auslieferungshaft auf eine etwaige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe angerechnet werden würde, komme bei einer Verurteilung angesichts der fortdauernden Begehung der vorgeworfenen Taten sowie dem Tatnachverhalten keine Aussetzung der Vollstreckung einer etwaigen Freiheitsstrafe zur Bewährung in Betracht. Darüber hinaus habe der Angeklagte etwaige erschwerte Haftbedingungen im Senegal durch seine Flucht nach Afrika selber schuldhaft herbeigeführt, so dass dieser Umstand, der sich auf das gesamte Strafverfahren verzögernd auswirke, eine Unverhältnismäßigkeit ebenfalls nicht begründen könne.

OLG Hamm, Beschluss vom 08.06.2021 - III-3 Ws 169/21

Redaktion beck-aktuell, 18. Juni 2021.

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