Ein Anwalt begehrte für seine Mandantin Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist. Er berief sich auf eine technische Störung des Empfangs elektronischer Post beim Justizserver. Abgesendet hatte den Schriftsatz eine Angestellte über die beA-Schnittstelle in der genutzten Kanzleisoftware RA-Micro. Den Zugang bei Gericht hatte sie laut Anwalt entsprechend einer in der Kanzlei bestehenden Anweisung anhand einer von der Software generierten "Zustellbestätigung" kontrolliert. Zum Beleg legte der Anwalt eidesstattliche Versicherungen seiner Mitarbeiterin und Screenshots vor. Nach seinem Vortrag prüft er außerdem bei fristgebundenen Schriftsätzen selbst stichprobenartig die Zustellbestätigungen, zudem kontrolliere er im Postausgang in RA-Micro anhand eines angezeigten "grünen Häkchens", ob Schriftsätze erfolgreich versendet wurden. Seinen anwaltlichen Sorgfaltspflichten habe er somit Genüge getan, ein Verschulden sei ihm nicht anzulasten.
Das sah das OLG Hamm anders, wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig (Beschluss vom 15.01.2024 - 22 U 13/23). Maßgeblich für den rechtzeitigen Zugang fristgebundener Schriftsätze sei die automatische Eingangsbestätigung im Sinn des § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO. Der Anwalt habe seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber nicht hinreichend angewiesen und geschult zu prüfen, ob diese Bestätigung vorliegt. Die Zustellbestätigung, die zu kontrollieren er sein Personal angewiesen habe, sei zum Nachweis des Zugangs untauglich. Werde ein Schriftsatz erfolgreich über das beA übermittelt, zeigten dies in der beA-Webanwendung der Meldetext "Request executed", das Eingangsdatum und der Übermittlungsstatus "Erfolgreich" an. Nur wenn die Eingangsbestätigung diese Angaben enthalte, dürfe der Anwalt auf den Zugang vertrauen, so das OLG unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH. Der hier vom Anwalt als Screenshot vorgelegten Zustellbestätigung fehlten aber die erforderlichen Prüfmerkmale: Weder werde darin "Request executed" noch die "erfolgreiche" Übermittlung vermeldet.
Anders als ein Screenshot der beA-Eingangsbestätigung oder eine Export-Datei stelle die "Zustellbestätigung" auch keinen tauglichen "Ersatznachweis" dar. Der Anwalt hätte darlegen müssen, dass die "Zustellbestätigung" aus beA-Daten erstellt wird, auch technische Hintergründe zur Generierung der Bestätigung hätte er erläutern müssen – dies wäre angesichts der Komplexität des beA-System erforderlich gewesen. Aber auch wenn die "Zustellbestätigung" auf beA-Daten beruhte, dürfte er sich nicht einfach darauf verlassen, dass die Kanzleisoftware die beA-Daten immer vollständig und richtig verarbeitet. Fehlfunktionen entlasteten ihn grundsätzlich nicht. Der Ausnahmefall einer plötzlichen und unerwarteten sowie durch regelmäßige Wartung nicht zu verhindernden Störung liege nicht vor.
Personalschulung nicht ausreichend
Selbst wenn man die "Zustellbestätigung" als Nachweis genügen ließe, wäre dem Anwalt laut OLG mangels ausreichender Anweisung und Schulung seines Personals ein Verschulden anzulasten. Denn er hätte seine Mitarbeiter/innen dann auch darin schulen müssen, wie die relevanten Prüfmerkmale der automatischen Empfangsbestätigung in dem Ersatzdokument der "Zustellbestätigung" zu finden und kontrollieren seien. Der Anwalt habe aber nur eine allgemeine Anweisung erteilt, die "Zustellbestätigung" zu prüfen.
Aus wessen Sphäre die Störung kam, sei ohne Belang. Denn bei richtiger Anweisung und korrekter Prüfung wäre das Fehlen eines Nachweises aufgefallen und es hätte eine Ersatzeinreichung per Fax erfolgen können.