OLG Hamm: "Baulast"-Vertrag für Bau einer Windkraftanlage wegen Dissens unwirksam

Vereinbaren Nachbarn, dass der eine Nachbar auf seinem Grundstück eine "Baulast" für den Bau einer Windkraftanlage auf dem Grundstück des anderen Nachbarn übernehmen soll, ist die Vereinbarung wegen Dissens unwirksam, wenn die Nachbarn den Begriff der "Baulast" unterschiedlich verstanden haben und die Auslegung ihrer Erklärungen auf kein gemeinsames Verständnis schließen lässt. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 16.05.2017 entschieden (Az.: 10 U 24/16).

"Baulast" für Errichtung einer Windkraftanlage vereinbart

Der Kläger, ein Architekt, beteiligt sich an der Projektierung von Windkraftanlagen. Der Beklagte, ein Landwirt, ist Eigentümer von landwirtschaftlichen Flächen. Zwecks Errichtung einer Windkraftanlage erwarb der Kläger benachbarte Grundstücke zum Grundbesitz des Beklagten. Er plante eine Windkraftanlage, die den bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Abstand zum Grundstück des Beklagten nicht einhalten sollte. Aus diesem Grund benötigte er zur Erlangung der erforderlichen Genehmigung (jedenfalls) die Bewilligung einer öffentlich-rechtlichen Abstandsflächenbaulast durch den Beklagten. Nach der Planung des Klägers sollten die Rotorblätter seiner Windkraftanlage außerdem über das Grundstück des Beklagten streichen. Aus diesem Grund verlangte die zuständige Behörde, eine über eine Abstandsflächenbaulast hinausgehende Vereinigungsbaulast auf dem Grundstück des Beklagten einzutragen. Der Kläger vereinbarte mit dem Beklagten die Übernahme einer im Vertrag nicht näher umschriebenen "Baulast" auf seinem Grundstück für den Bau der Windkraftanlage.

Mangels Bewilligung auch einer Vereinigungsbaulast keine Genehmigung der Windkraftanlage

Zur Bestellung der erforderlichen Vereinigungsbaulast durch den Beklagten kam es unter anderem deswegen nicht, weil sich der Beklagte vor dem Vertragsschluss mit dem Kläger gegenüber einer anderen Gesellschaft verpflichtet hatte, dieser die Errichtung einer Windkraftanlage auf seinem Grundstück zu ermöglichen. Mangels Genehmigung konnte der Kläger die geplante Windkraftanlage nicht errichten. Er forderte daher vom Beklagten Schadensersatz für entgangenen Gewinn in Höhe von etwa 515.000 Euro, weil der Beklagte die Vereinigungsbaulast nicht bewilligt habe. Der Beklagte wandte ein, dem Kläger allenfalls die Bewilligung einer Abstandsflächenbaulast, nicht aber die einer Vereinigungsbaulast zugesagt zu haben.

OLG: Baulast-Vertrag wegen Dissens unwirksam

Das OLG hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers verneint. Es fehle bereits an einer vertraglichen Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger für sein Bauvorhaben eine solche Baulast zu bewilligen. Eine solche Verpflichtung werde durch den Vertrag der Parteien nicht begründet. Äußerlich übereinstimmend hätten die Parteien in dem Vertrag zwar vereinbart, dass der Beklagte dem Kläger die Eintragung einer "Baulast" auf seinem Grundstück bewillige. Dabei hätten die Parteien der Bezeichnung "Baulast" allerdings eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen, so dass der Vertrag einen versteckten Einigungsmangel (Dissens) aufweise.

Begriff der "Baulast" objektiv mehrdeutig

Das folgt laut OLG aus der Auslegung der Vertragserklärungen der Parteien. Der Begriff der "Baulast" sei objektiv mehrdeutig. Von den Parteien sei er beim Vertragsschluss unterschiedlich verstanden worden. Der Kläger habe den Begriff in dem Sinne verstanden, dass ihm der Beklagte die Baulast einräume, die er, der Kläger, für sein Bauvorhaben benötige. Das schließe die Bewilligung einer Vereinigungsbaulast ein. Demgegenüber habe der Beklagte die Vorstellung gehabt, dass lediglich eine Abstandsflächenbaulast gemeint sei. Dafür, dass der Beklagte dem Kläger keine Vereinigungsbaulast habe zusagen wollen, mit der der Kläger - aus bauordnungsrechtlicher Sicht - das Grundstück des Beklagten unbeschränkt habe bebauen dürfen, spreche unter anderem, dass der Beklagte dann der zuvor gegenüber einer anderen Gesellschaft übernommenen Verpflichtung, den Bau einer Windkraftanlage dieser Gesellschaft auf seinem Grundstück zu dulden, zuwidergehandelt hätte.

Kein geschütztes Vertrauen auf bestimmtes Verständnis des Begriffs der Baulast

Ein geschütztes Vertrauen der Parteien, dass der Begriff der Baulast nur in einem einzigen Sinne aufgefasst werden könne, ist dem OLG zufolge nicht festzustellen. Der Begriff der "Baulast" sei nicht eindeutig, weil es mehrere Arten von Baulasten gebe, die damit gemeint sein könnten. Es gebe auch keine Verkehrssitte, nach der der Begriff immer in einem bestimmten Sinn gebraucht werde. Wortlaut und Zweckbestimmung des Vertrages der Parteien sprächen nicht eindeutig für ein Vertragsverständnis im Sinne einer der Parteien. Ein solches Verständnis ergebe sich auch nicht aus ihrer Interessenlage. Dem Interesse des Klägers, die bauordnungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit seines Bauvorhabens sicherzustellen, entspreche das auf die Bewilligung einer Vereinigungsbaulast gerichtete Vertragsverständnis. Demgegenüber werde dieses Verständnis den Interessen des Beklagten nicht gerecht, weil er mit einer solchen Baulast gegen eine andere, bereits zuvor begründete vertragliche Verpflichtung verstoßen hätte.

OLG Hamm, Urteil vom 16.05.2017 - 10 U 24/16

Redaktion beck-aktuell, 12. Juni 2017.

Mehr zum Thema