Ärztin riet zu offener Biopsie
Die Klägerin verlangte von den Beklagten, der Trägerin eines Bielefelder Krankenhauses und einer in dem Krankenhaus beschäftigten Ärztin, nach der Operation eines Herdbefundes in ihrer linken Brust Schadensersatz, unter anderem ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 Euro. Die beklagte Ärztin hatte der Klägerin im Mai 2009 geraten, einen unklaren Herdbefund ihrer linken Brust durch eine operative Entnahme des betroffenen Gewebes (offene Biopsie) abklären zu lassen. Die Klägerin, die sich derartigen Behandlungen bereits in früheren Jahren unterzogen hatte, willigte in den Eingriff ein, der dann im Haus der Beklagten durchgeführt wurde. Im Jahr darauf zeigte sich wiederum ein Herdbefund in der linken Brust der Klägerin. Diesen ließ die Klägerin nach der Abklärung mittels einer Stanzbiopsie, die ein regressiv verändertes Papillom ergab, abklären und im Folgejahr in einem anderen Krankenhaus herausschneiden. Dabei kam es zu einer Entzündung und erheblichen Wundheilungsstörungen.
Klägerin machte Behandlungsfehler und ungenügende Aufklärung geltend
Die Klägerin meinte, sie sei durch die Beklagten im Jahr 2009 fehlerhaft behandelt worden. Eine offene Biopsie sei seinerzeit kontraindiziert gewesen. Zudem sei sie nicht über die Möglichkeit aufgeklärt worden, den Befund mittels Stanzbiopsie abklären zu lassen. Erst aufgrund der fehlerhaften Behandlung durch die Beklagten seien die Folgebehandlungen notwendig geworden.
LG sprach Klägerin Schmerzensgeld zu
Das Landgericht verurteilte die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 8.000 Euro, weil die Klägerin nicht über die Möglichkeit einer Stanzbiopsie als echter Behandlungsalternative aufgeklärt worden sei. Eine fehlerhafte Behandlung der Klägerin im Rahmen der durchgeführten offenen Biopsie konnte das Landgericht nicht feststellen. Dagegen legten die Beklagten Berufung ein.
OLG: Offene Biopsie war hier medizinisch vertretbar
Die Berufung war erfolgreich. Das OLG verneinte einen Schadensersatzanspruch der Klägerin. Der Beklagten sei kein schadensursächlicher Behandlungsfehler im Rahmen der offenen Biopsie vorzuwerfen. Die gewählte offene Biopsie sei bei der Größe des Tastbefundes medizinisch vertretbar gewesen. Sie habe die größere diagnostische Sicherheit gegeben. Soweit im Rahmen des Eingriffs der kleine gutartige Befund operativ verfehlt worden sei, komme dies auch bei größtmöglicher Sorgfalt in bis zu fünf Prozent aller Fälle vor und sei nicht als ärztlicher Fehler zu bewerten. Fehler im Umgang mit dem entnommenen Gewebestück hätten sich auf den weiteren Behandlungsverlauf nicht negativ ausgewirkt. Das Papillom habe in jedem Fall in einer Zweitoperation entfernt werden müssen.
Keine unzureichende Aufklärung über Stanzbiopsie
Laut OLG wurde die Klägerin auch nicht unzureichend über die bestehende Behandlungsalternative der Stanzbiopsie aufgeklärt. Die Stanzbiopsie sei zwar eine echte Behandlungsalternative zu der gewählten offenen Biopsie gewesen, weil die beiden Alternativen zur Überprüfung des Herdbefundes gleichermaßen indizierte und übliche Standardmethoden waren, die mit wesentlich unterschiedlichen Belastungen und Erfolgschancen verbunden waren. Die Stanzbiopsie habe sich ohne Operation in wenigen Minuten unter Lokalanästhesie durchführen lassen. Angesichts der Größe des Befundes und vieler Voroperationen im Bereich der Brust der Klägerin sei sie aber hoch aufwendig und schwierig gewesen und hätte eines hochspezialisierten Behandlers bedurft. Demgegenüber sei das Risiko, den vorhandenen kleinen Tastbefund zu verfehlen, bei einer offenen Biopsie deutlich geringer gewesen. Die offene Biopsie habe damit die größere diagnostische Sicherheit geboten und sei im Idealfall - anders als die rein diagnostische Stanzbiopsie - zugleich als therapeutischer Eingriff in Betracht gekommen. Dafür berge sie alle Risiken eines invasiven Eingriffs.
Methodenauswahl lag hier allein im Ermessen des Arztes
Bei dieser Situation bewege man sich im Grenzbereich der Medizin, bei dem die Auswahl der Methode allein in das Ermessen des Arztes gestellt sei, so das OLG weiter. Deshalb sei der der Klägerin erteilte Rat zur offenen Biopsie nicht zu beanstanden gewesen. Da der Klägerin aufgrund ihrer Vorerfahrungen die Möglichkeit einer Stanzbiopsie bewusst gewesen sei, sei ihre Aufklärung nicht zu beanstanden. Die Klägerin sei im Wissen um die Alternative der Stanzbiopsie dem ärztlichen Rat zur Vornahme einer offenen Biopsie gefolgt.