Frau darf wegen Kopftuch nicht Schöffin werden
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Wer ein Kopftuch trägt, kann nicht mit dem nötigen Anstrich von Neutralität urteilen, das ist herrschende Rechtsprechung. Dies gilt gleichermaßen für Schöffinnen, stellt nun das OLG Hamm klar. Für eine Amtsenthebung reichte es dennoch nicht.

Dass es nicht erlaubt ist, als Richterin oder auch Referendarin mit einem Kopftuch in einer Gerichtsverhandlung dienstlich in Erscheinung zu treten, ist inzwischen bekannt. 2020 entschied hierzu noch das BVerfG. Doch auch das Amt der Schöffinnen und Schöffen verträgt sich nicht damit, religiöse Symbole offen zur Schau zu tragen, wie nun das OLG Hamm entschieden hat (Beschluss vom 11.04.2024 5 Ws 64/24).

In dem Verfahren ging es um die Amtsenthebung einer Schöffin, weil diese angekündigt hatte, in Gerichtsverhandlungen nicht auf ihr Kopftuch verzichten zu wollen. Der Vorsitzende des Jugendschöffenausschusses des AG Dortmund hatte deshalb beantragt, die bereits gewählte Schöffin aus ihrem Amt zu entfernen, weil sie gegen § 2 Abs. 1 Justizneutralitätsgesetz NRW verstoße und dies eine grobe Amtspflichtverletzung darstelle.

Die Schöffin selbst argumentierte, mit ihrem Kopftuch keine religiöse oder weltanschauliche Auffassung zum Ausdruck bringen zu wollen. Sie verstehe das Tragen des Kopftuchs als religiöse Pflicht und sei im Übrigen auch ohne Kopftuch schnell als Muslimin zu erkennen. Eine Schöffin mit Kopftuch könne zudem die Vielfalt der Gesellschaft in der Justiz zum Ausdruck bringen.

OLG: Kopftuch begründet Unfähigkeit zum Schöffinnenamt

Dem folgte das OLG nun nicht, ließ aber auch die Amtsenthebung nicht durchgehen. Der Senat bestätigte die Auffassung des Ausschussvorsitzenden, dass die Weigerung einer Schöffin, während der Gerichtsverhandlung auf ihr Kopftuch zu verzichten, gegen ihre Pflicht verstoße, keine wahrnehmbaren Symbole oder Kleidungsstücke zu tragen, die eine bestimmte religiöse Auffassung zum Ausdruck bringen.

Allerdings handelt es sich hierbei nach Auffassung des OLG nicht um eine grobe Amtspflichtverletzung, die eine Enthebung nach § 51 Abs. 1 GVG rechtfertigen würde. Die Ratio dahinter: Wer konsequent ein Kopftuch als religiöses Symbol trage, sei unfähig zum Schöffinnenamt, was allerdings § 52 Abs. 1 GVG unterfällt und zur Streichung von der Liste der Schöffinnen und Schöffen führt.

Religionsausübung ist kein Pflichtverstoß

Die Frage, welcher Norm ein solcher Fall zuzuordnen ist, war nach den Ausführungen des OLG bislang umstritten. Die Richterinnen und Richter begründeten ihre Auffassung nunmehr damit, dass es hier nicht um ein Fehlverhalten der Schöffin gehe, die lediglich ihre durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Religionsausübungsfreiheit ausübe. Außerdem, so der Senat, sei es auch praktisch nicht sinnvoll, das Tragen eines Kopftuchs unter die Amtspflichtverletzungen zu fassen, da in diesem Fall eine Schöffin mit Kopftuch zunächst dennoch berufen werden müsste, nur um sie dann wegen der Pflichtverletzung wieder ihres Amtes zu entheben.

Da nicht das OLG, sondern die Jugendrichterin bzw. der Jugendrichter, die bzw. der geschäftsplanmäßig für die Angelegenheiten der Schöffinnen und Schöffen in Jugendsachen bestimmt ist, dafür zuständig wäre, die Frau von der Liste zu streichen, durfte sie zunächst im Amt verbleiben.

OLG Hamm, Beschluss vom 11.04.2024 - 5 Ws 64/24

Redaktion beck-aktuell, mam, 8. Mai 2024.