Karies nach "Slicen" der Milchzähne
Bei der Klägerin, die sich bei den beklagten Zahnärzten in kieferorthopädischer Behandlung befand, sind mehrere bleibende Zähne nicht angelegt. Die an ihrer Stelle vorhandenen Milchzähne sollten solange wie möglich erhalten bleiben und später durch Implantate ersetzt werden. Im Frühjahr 2013 beschliff eine in der beklagten Praxis arbeitende, im Prozess mitverklagte Zahnärztin die Milchzähne der seinerzeit 18 Jahre alten Klägerin, um die spätere implantologische Versorgung vorzubereiten. Die Milchzähne wurden in ihrer Breite reduziert, was aus Sicht der Beklagten geboten war, um später passgenaue Implantate einsetzen zu können. Dieses "Slicen" hat die Klägerin für eine fehlerhafte Behandlung gehalten, die zudem fehlerhaft durchgeführt worden sei, weil die Milchzähne nach dem Entfernen des Zahnschmelzes sehr temperaturanfällig gewesen seien und sich in kurzer Zeit Karies gebildet habe.
Schmerzengsgeldklage erfolgreich
Die Klägerin hat deswegen 2.000 Euro Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden verlangt. Die Schadenersatzklage war erfolgreich. Ebenso wie das Landgericht Detmold hat das OLG Hamm die Haftung der Beklagten begründende zahnärztliche Behandlungsfehler festgestellt.
Grobe Fehler beim Schleifen
Die beklagte Zahnärztin habe die Schleifmaßnahmen grob fehlerhaft ausgeführt, meint das OLG Hamm. Bei zwei Milchzähnen sei zu viel Material entfernt worden. Es seien Dentinwunden entstanden. Bei einem weiteren Milchzahn sei grenzwertig viel Zahnschmelz abgeschliffen worden. Zudem sei bei den drei Zähnen eine ungleichmäßige Oberfläche entstanden, durch welche sich Speisereste festsetzen könnten und die die Zahnreinigung erschwere. Infolge des fehlerhaften Slicens seien die Milchzähne geschädigt, ihre Langzeitprognose habe sich verschlechtert.
Richtige Verzahnung entscheidend
Auch den Einwand der Beklagten, nur durch ein derartiges Beschleifen habe man später auf beiden Seiten von Ober- und Unterkiefer gleich breite Implantate einsetzen und so ein in optischer Hinsicht harmonisches Ergebnis erhalten können, ließ das OLG nicht gelten. Die Sachverständige habe klargestellt, dass es für ein harmonisches Ergebnis sowie ebenfalls für die Kaufähigkeit und die Zahnpflege nicht erforderlich sei, dass die Zähne rechts und links später gleich breit seien. Entscheidend sei vielmehr ihre richtige Verzahnung.
Schmerzensgeld- und Feststellungsantrag begründet
Die der fehlerhaften Behandlung zurechenbaren, bei der Klägerin bereits eingetretenen Folgen (erlittene Schmerzen, behandlungsbedürftige Dentinwunden, Temperaturempfindlichkeit, Kariesbildung an zwei Zähnen, eine verschlechterte Langzeitprognose) rechtfertigen nach Ansicht des OLG das bereits vom LG festgesetzte Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 Euro. Im Hinblick darauf, dass noch nicht absehbar sei, welche weiteren gesundheitlichen Folgen sich künftig aus der grob fehlerhaften Behandlung ergäben, sei auch der Feststellungsantrag begründet, gab das Gericht bekannt.