Traktor als Arbeitsbühne: Kein Unfall "bei Betrieb"

Die streitträchtige Frage, wann ein Unfall "bei Betrieb" eines Fahrzeugs vorliegt, hat durch das OLG Hamm eine neue Facette erhalten: Ein Maler strich eine Scheune, in einem Gitterkorb, gehoben vom Traktor des Landwirts. Durch einen Fehler des Traktorfahrers stürzte er in die Tiefe. 

Ein angestellter Lackierer führte bei einem Nebenerwerbslandwirt Malerarbeiten am Stallgebäude durch. Dazu stand er – obwohl er es für gefährlich hielt – in einem Korb, der vom Traktor des Landwirts hochgehoben wurde. Als der Giebel fast fertig gestrichen war, kam der Fahrer beim Umpositionieren an den Joystick und kippte den Korb nach vorne. Der Maler stürzte aus mehreren Metern Höhe herab und verletzte sich erheblich. Er musste mehrfach operiert werden und konnte anschließend seinen Beruf nicht mehr ausüben. Gegen den Landwirt sowie dessen Haftpflichtversicherer zog er unter anderem wegen der Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 47.500 Euro vor Gericht.

Das LG schmetterte seine Klage wegen einer Haftungsprivilegierung nach §§ 104, 105 Abs. 1  SGB VII (Beschränkung der Haftung im Betrieb tätiger Personen) ab. Die Bedienung des Traktors sei eine betriebliche Tätigkeit des Landwirts für die Malerfirma, da sie die Arbeitsabläufe des Angestellten unterstützt habe und damit auch im Interesse seiner Firma gelegen habe. Die dagegen eingelegte Berufung des Verunglückten war überwiegend erfolgreich.

Das OLG Hamm bejahte einen Anspruch des Malers auf Schadensersatz und Schmerzensgeld –  jedoch unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 20%, da er die Gefahren des Gitterkorbs kannte und dennoch zustimmte (Urteil vom 04.12.2024 – 11 U 84/23).

Keine Gefährdungshaftung, aber aus Delikt

Die Haftung der Beklagten ergebe sich allerdings nicht aus § 7 Abs. 1 StVG, da der Unfall nicht "bei dem Betrieb" des Traktors geschehen sei. Denn für die Durchführung der Malerarbeiten sei die Transport- und Beförderungsfunktion des Traktors anders als dessen Arbeitsfunktion kaum noch von Bedeutung. Stattdessen hafte der Landwirt durch die Fehlbedienung des Frontladers aus §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 229 StGB wegen fahrlässiger Körperverletzung und Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (Nichteinhaltung der Unfallverhütungsvorschriften).

Der Kfz-Haftpflichtversicherer hafte neben den Versicherten nach § 115 VVG (Direktanspruch), weil der Schaden – auch wenn nicht bei Betrieb – während des Einsatzes des Traktors für die Malerarbeiten entstanden und unmittelbar durch diesen verursacht worden sei.

Für das OLG war eine Haftung der Beklagten weder nach § 105 Abs. 1 SGB VII (Tätigkeit für den Betrieb des verunfallten Beschäftigten), noch nach § 106 Abs. 3 SGB VII (Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte) beschränkt. Der Landwirt sei zum Unfallzeitpunkt nicht in den Malerbetrieb eingegliedert gewesen. Vielmehr waren die Arbeiten an den Malerbetrieb fremdvergeben und erfolgten im eigenen Interesse des landwirtschaftlichen Betriebs.

OLG Hamm, Urteil vom 04.12.2024 - 11 U 84/23

Redaktion beck-aktuell, ns, 10. März 2025.

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