Wirksames Testament auf der Intensivstation? Krankenhaus muss Behandlungsakte herausgeben

Die neu als Erben eingesetzten Verwandten hatten auch eine postmortale Vollmacht – und wohl kein Interesse daran, dass die Testierfähigkeit ihrer toten Tante überprüft wird. Trotz ihrer fehlenden Erlaubnis verpflichtete das OLG Hamm die Klinik, dem Gerichtsgutachter die Befunde zu geben.

Eine inzwischen verstorbene Frau hatte im Krankenhaus ihr altes Testament geändert. Ursprüngliche Alleinerbin war ihre Schwester. Die Beurkundung fand auf der Intensivstation statt, wo die Erblasserin wegen einer lebensbedrohlichen Entzündung der Bauchspeicheldrüse behandelt wurde. Neben ihrer Nichte benannte sie noch deren zwei Kinder als Erben. Damit war ihre Schwester nicht einverstanden. Sie behauptete, die Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Beurkundung gar nicht testierfähig gewesen. Daraufhin bestellte das Gericht einen Gutachter. Die Klinikträgerin weigerte sich aber, die Unterlagen herauszurücken, und berief sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Es bestehe eine postmortale Vollmacht zugunsten der Kinder und diese hätten die Klinik nicht von ihrer ärztlichen Schweigepflicht entbunden.

Das OLG Hamm hat die Klinik in einer Zwischenentscheidung verpflichtet, die Krankenunterlagen der Erblasserin dem Gutachter vorzulegen (Beschluss vom 13.06.2024 – 10 W 3/23). Zunächst sei die Schweigepflicht als höchstpersönliches Recht nicht vererblich. Schon aus diesem Grund stehe den Kindern entgegen der Annahme der Klinikträgerin die Entscheidung über die ärztliche Schweigepflicht betreffend die Behandlung der Verstorbenen nicht zu. Die vom Krankenhaus ins Spiel gebrachte postmortale Vorsorgevollmacht zugunsten der Kinder ändere daran nichts, da sie vom selben Tag wie das Testament stamme und somit ebenfalls von der (behaupteten) Geschäftsunfähigkeit betroffen sein könnte.

Verstorbene hätte im Zweifel Klärung gewünscht

Hätte sich die Verstorbene ausdrücklich zur Frage der ärztlichen Schweigepflicht nach ihrem Tod geäußert, wäre diese Anweisung bindend, so der Senat. Da sie dies nicht getan habe, sei ihr mutmaßlicher Wille ausschlaggebend. Für das Richterkollegium stand fest, dass die Seniorin Zweifel an ihrer Testierfähigkeit hätte klären lassen wollen: Es liege typischerweise im Interesse eines Erblassers, Bedenken hinsichtlich an der Wirksamkeit seines Testaments auszuräumen. 

Die Kosten des Zwischenverfahrens muss nach der Entscheidung des OLG die Klinikträgerin übernehmen.

OLG Hamm, Beschluss vom 13.06.2024 - 10 W 3/23

Redaktion beck-aktuell, ns, 25. September 2024.