Streit ums Sorgerecht: Kind durfte nur kurz in Kinderheim untergebracht werden

Während sich die Eltern einen Sorgerechtsstreit lieferten, wurde ein Sechsjähriger aus Frankfurt am Main in die Obhut eines Kinderheims gegeben, weil die Mutter ihn geschlagen hatte. Das fand das OLG Frankfurt am Main nur für eine kurze Übergangszeit angemessen.

Das Kind lebte während des Sorgerechtsstreits bei seiner Mutter. Nachdem der Vater gegenüber dem Jugendamt angab, die Mutter schlage ihr Kind und ein entsprechendes Attest vorlegte, nahm das Jugendamt den Sohn in Obhut und brachte ihn in einem Kinderheim unter. Das Familiengericht übertrug dem Jugendamt das Aufenthaltsbestimmungsrecht.

Knapp drei Wochen nach der Unterbringung widerriefen die Eltern ihre zunächst erteilte Zustimmung. Vier Monate später wurde der familiengerichtliche Beschluss vorläufig ausgesetzt und der Sohn kehrte zu seiner Mutter zurück. Nachfolgend hob das OLG im Sorgerechtsverfahren den Beschluss auf und übertrug das Sorgerecht auf den Vater. In der Folge verklagte der Sohn die Stadt wegen der erlittenen Trennung von seinen Eltern auf Schadensersatz.

Unterbringung beim Vater statt im Heim

Zwar habe die anfängliche Inobhutnahme keine schuldhafte Amtspflichtverletzung dargestellt, so das OLG. Dem Jugendamt ließen sich keine Fehler vorwerfen und zu diesem Zeitpunkt hätten die Eltern der Übertragung auch zugestimmt.

Das gelte aber nur für eine kurze Zeitspanne am Anfang. Die Fremdunterbringung eines Kindes aus Anlass eines tiefgreifenden Elternkonfliktes sei nur dann gerechtfertigt, "wenn der permanente Elternkonflikt das Kindeswohl in hohem Maße und mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet".

Hier könne die Inobhutnahme und Unterbringung in einem Kinderheim nach einer kurzen Übergangszeit nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Sohn von seiner Mutter geschlagen wurde. Der Gefahr erneuter Misshandlungen hätte vielmehr dadurch begegnet werden müssen, dass der Kläger bis zur endgültigen Entscheidung über das Sorgerecht bei seinem Vater untergebracht wird.

Sorgerechtsstreit rechtfertigt regelmäßig keine fortdauernde Unterbringung

Der heftige und langwierige Streit der Eltern über das Sorge- und Umgangsrecht könne die Fortdauer der Fremdunterbringung angesichts der damit einhergehenden Belastungen nicht rechtfertigen, so das OLG.

Kindern, die in einen hochkonflikthaften Streit zwischen den Elternteilen, die sie beide lieben, hineingezogen werden, sei nicht damit gedient, dass sie außerhalb der Familie untergebracht würden, denn dies führe zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Beziehung zu beiden Elternteilen.

Die ursprüngliche Herausnahme aus der Familie sei lediglich als kurzfristige Maßnahme veranlasst gewesen, in deren Verlauf eine Beruhigung eintreten sollte. Eine längere, monatelange Trennung von den Eltern habe der Sohn dagegen nicht als Entlastung von dem elterlichen Konflikt erleben können, sondern als ungerechtfertigte Folge dessen, dass er sich über die Misshandlungen durch seine Mutter beschwert habe.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 27.07.2023 - 1 U 6/21

Redaktion beck-aktuell, 18. August 2023.

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