Über­set­zung von Zeu­gen­aus­sa­gen im Schieds­ver­fah­ren durch nicht be­ei­dig­te Per­son zu­läs­sig

Haben die Par­tei­en eines Schieds­ver­fah­rens keine kon­kre­ten Ver­ein­ba­run­gen ge­trof­fen, ver­stö­ßt es nicht gegen den ordre pu­blic, wenn ein Schieds­ge­richt die Über­set­zung einer Zeu­gen­aus­sa­ge von einer nicht all­ge­mein be­ei­dig­ten Per­son aus dem Lager der An­trag­stel­le­rin vor­neh­men lässt. Dies hat das Ober­lan­des­ge­richt Frank­furt am Main mit Ur­teil vom 15.07.2022 ent­schie­den.

Streit um Schieds­spruch in in­ter­na­tio­na­lem Bau­pro­zess

An­trags­geg­ne­rin ist eine deut­sche Ent­wick­lungs­ge­sell­schaft, die mit der Pla­nung, Be­rech­nung und Lie­fe­rung einer Kup­pel und drei­er Dä­cher für ein Ein­kaufs­zen­trum in Ka­sach­stan be­auf­tragt wurde. Der Ver­trag ent­hielt auch eine Schieds­ver­ein­ba­rung. In­fol­ge von Nach­trags­ver­ein­ba­run­gen und der Ver­schie­bung von Lie­fer­ter­mi­nen trat die An­trag­stel­le­rin von den Ver­trä­gen zu­rück und for­der­te von der An­trags­geg­ne­rin die Zah­lung eines ihrer An­sicht nach ver­gleichs­wei­se ver­ein­bar­ten Er­stat­tungs­an­spruchs. An dem von der An­trag­stel­le­rin ein­ge­lei­te­ten Schieds­ver­fah­ren be­tei­lig­te sich die An­trags­geg­ne­rin mit Aus­nah­me der Ein­rei­chung von Frist­ver­län­ge­rungs­ge­su­chen und einer E-Mail nicht. Das Schieds­ge­richt ver­nahm eine rus­sisch­spra­chi­ge Zeu­gin, deren Aus­sa­ge von im Lager der An­trag­stel­le­rin ste­hen­den Per­so­nen in die eng­li­sche Ver­fah­rens­spra­che über­setzt wurde und ver­ur­teil­te die An­trags­geg­ne­rin schlie­ß­lich zur Zah­lung von rund 830.000 Euro. Wäh­rend die An­trags­geg­ne­rin die Über­set­zung der Zeu­gen­aus­sa­ge durch nicht be­ei­dig­te Per­so­nen rügte, be­an­trag­te die An­trag­stel­le­rin den Schieds­spruch für voll­streck­bar zu er­klä­ren.

OLG er­klärt Schieds­spruch für voll­streck­bar

Das Ober­lan­des­ge­richt hat dem An­trag man­gels Vor­lie­gens von Ver­sa­gungs- oder Auf­he­bungs­grün­den statt­ge­ge­ben. Ins­be­son­de­re ver­sto­ße die Über­set­zung der Zeu­gen­aus­sa­ge durch nicht be­ei­dig­te Per­so­nen aus dem Lager einer der Par­tei­en nicht gegen den Grund­satz der pro­zes­sua­len Waf­fen­gleich­heit. Das Schieds­ge­richt habe viel­mehr seine Ver­pflich­tung er­füllt, die "Gleich­stel­lung der Par­tei­en durch eine ob­jek­ti­ve, faire Ver­hand­lungs­füh­rung, durch un­vor­ein­ge­nom­me­ne Be­reit­schaft zur Ver­wer­tung und Be­wer­tung des ge­gen­sei­ti­gen Vor­brin­gens und durch kor­rek­te Er­fül­lung sei­ner sons­ti­gen pro­zes­sua­len Ob­lie­gen­hei­ten zu wah­ren". Es sei ver­fah­rens­feh­ler­frei, dass die Aus­sa­ge der rus­sisch­spra­chi­gen Zeu­gen nicht von einem ver­ei­dig­ten Dol­met­scher über­setzt wor­den sei. Die Par­tei­en eines Schieds­ver­fah­rens seien im Grund­satz frei, wel­che An­for­de­run­gen sie an eine Über­set­zung von Zeu­gen­aus­sa­gen stel­len wol­len. Sie könn­ten so­wohl ver­ein­ba­ren, dass Über­set­zun­gen durch Per­so­nen er­fol­gen, die über keine ent­spre­chen­de for­ma­le Qua­li­fi­ka­ti­on ver­fü­gen als auch, dass die über­set­zen­de Per­son im Lager einer der Par­tei­en des Schieds­ver­fah­rens steht. 

Kein Ver­stoß gegen ordre pu­blic

Für das Schieds­ge­richt sei der Spiel­raum für die Aus­ge­stal­tung des Schieds­ver­fah­rens grund­sätz­lich ge­nau­so groß wie für die Par­tei­en. Fehle - wie hier - eine Ver­ein­ba­rung der Par­tei­en zur Frage der Über­set­zung fremd­spra­chi­ger Zeu­gen­aus­sa­gen, ver­sto­ße es daher nicht gegen den ver­fah­rens­recht­li­chen ordre pu­blic, wenn das Schieds­ge­richt die Aus­sa­ge einer Zeu­gin nicht von einem ver­ei­dig­ten Dol­met­scher in die Ver­fah­rens­spra­che über­set­zen lasse, son­dern sich mit der Über­set­zung durch eine nicht be­ei­dig­te Per­son be­gnü­ge, die zudem im Lager eines der Par­tei­en des Schieds­ver­fah­rens stehe. Durch diese Ver­fah­rens­wei­se habe sich das Schieds­ge­richt auch in Er­man­ge­lung einer neu­tra­len Per­son, die der rus­si­schen Spra­che mäch­tig ge­we­sen wäre, nicht der An­trag­stel­le­rin "aus­ge­lie­fert". Ein Schieds­ge­richt könne viel­mehr eben­so wie ein staat­li­ches Ge­richt in der Regel - mit Aus­nah­me gän­gi­ger Fremd­spra­chen - die Über­set­zung durch den Dol­met­scher nicht über­prü­fen. Dass eine fal­sche oder un­zu­rei­chen­de Über­set­zung vor­lie­ge, be­haup­te die An­trags­geg­ne­rin im Üb­ri­gen nicht.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 15.07.2022 - 26 Sch 19/21

Redaktion beck-aktuell, 1. August 2022.

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