STIKO-Empfehlungen vertrauender Elternteil darf über Kindes-Impfung entscheiden

Streiten Eltern über die Durchführung einer Corona-Schutzimpfung bei einem fast 16-jährigen impfbereiten Kind, ist die Entscheidung auf den der Impfempfehlung der STIKO vertrauenden Elternteil zu übertragen. Dies gelte insbesondere, wenn damit dem Willen des Kindes entsprochen werde, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 17.08.2021 in einem Eilverfahren.

Streit um Corona-Impfung für 16-jährigen Sohn

Die geschiedenen Eltern eines 2005 geborenen Kindes üben gemeinsam die elterliche Sorge aus. Bei dem fast 16-Jährigen liegt gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch Institut (STIKO) aufgrund von Vorerkrankungen eine eindeutige medizinische Indikation für eine Impfung gegen das Corona Virus SARS-CoV-2 mit einem mRNA-Impfstoff vor. Vater und Kind befürworten eine Impfung, die Mutter ist damit nicht einverstanden und bezeichnet die Impfung als "Gentherapie". Auf Antrag des Vaters übertrug das Amtsgericht diesem im Weg der einstweiligen Anordnung vorläufig die alleinige Befugnis zur Entscheidung über die Impfung seines Sohnes. Die erste Impfung des Kindes ist mittlerweile erfolgt. Hiergegen legte die Mutter Beschwerde ein.

OLG weist Beschwerde der Mutter zurück

Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Mutter zurückgewiesen. Wenn sich Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sei, nicht einigen könnten, könne auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung diesem allein übertragen werden (§ 1628 S. 1 BGB). Die Entscheidung über die Durchführung einer Impfung gegen das Corona Virus SARS-CoV-2 sei eine derartige Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Zwar sei hier naheliegend, dass der fast 16-Jährige für den medizinischen Eingriff im Verhältnis zu der ärztlichen Impfperson selbst einwilligungsfähig sei. Gleichwohl bedürfe es bei dem nicht geringfügigen medizinischen Eingriff zur Wirksamkeit der Einwilligung des Patienten auch der Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern im Weg eines sogenannten Co-Konsenses.

STIKO-Empfehlungen folgender Elternteil darf entscheiden

Die Entscheidungsbefugnis sei demjenigen Elternteil zu übertragen, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der STIKO befürworte, soweit - wie vorliegend - bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorlägen. Bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung habe eine Empfehlung der STIKO für eine COVID-19 Impfung als Indikationsimpfung für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf (hier: Adipositas) der COVID-19-Erkrankung bestanden. Daher komme es gar nicht darauf an, dass sich die STIKO am 16.08.2021 nunmehr für Corona-Impfungen aller Kinder und Jugendlichen von mindestens 12 Jahren ausgesprochen habe.

Vorliegend war auch der Kindeswille zu beachten

Zudem sei nach § 1697a BGB auch der Kindeswille zu beachten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Kind sich im Hinblick auf sein Alter und seine Entwicklung auch eine eigenständige Meinung zum Gegenstand des Sorgerechtsstreits bilden kann. Es stehe außer Frage, dass der fast 16-Jährige aufgrund seines Alters und seiner Entwicklung im Stande sei, sich eine eigene Meinung über den Nutzen und die Risiken der Corona-Schutzimpfung zu bilden. Insofern spreche auch die Rücksichtnahme auf den Willen des Kindes bei sorgerechtlichen Entscheidungen vorliegend für die bessere Entscheidungskompetenz des Kindesvaters. Denn Teil der elterlichen Sorge sei auch, die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln zu berücksichtigen.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 24.08.2021 - 6 UF 120/21

Redaktion beck-aktuell, 24. August 2021.